Sinuhe der Ägypter
Nase mit den Fingern zuhalten muß, während meine besten Leute aus unzähligen Wunden bluten und meine edlen Pferde keuchend in den letzten Zügen liegen. So grabt jetzt, ihr Männer Ägyptens, grabt um euer Leben! Diese Arbeit eignet sich für euch am besten, weil ihr euer Lebtag gewohnt wart, im Schlamm zu wühlen, wenn ihr nicht gerade mit dreckigen Fingern in der Nase oder im Hintern gebohrt habt.«
Die unerfahrenen ägyptischen Soldaten waren jedoch über diese Worte durchaus nicht beleidigt, sondern jubelten und wiederholten sie unter lautem Gelächter; denn jeder hatte beim Anblick Haremhabs das Gefühl, nach den Schrecken der Wüste einen Schutz gefunden zu haben. Die Leute vergaßen ihre enthäuteten Füße und ihre vertrockneten Zungen und begannen nach Haremhabs Anweisungen tiefe Gräben auszuheben, Holzpfähle zwischen Steinen einzurammen, Schilfseile dazwischen zu spannen und große Steinblöcke von den Berghängen zum Paß hinunterzuwälzen und herbeizuschaffen.
Haremhabs erschöpfte Wagenkämpfer krochen aus ihren Felsspalten und Zelten hervor und schleppten sich hinkend zu den Ankömmlingen, um diesen ihre Wunden zu zeigen und mit ihren Heldentaten zu prahlen; sogar die Sterbenden richteten sich auf, um sich zu brüsten, den Gräbern und Speerwerfern und Bogenschützen Mut einzuflößen und ihren Neid zu erwecken. Beim Anblick der wie wirbelnde Wolken herannahenden Hetiter waren sie nämlich am Morgen alle überzeugt gewesen, ihr letztes Stündlein habe geschlagen, und die Ankunft des Fußvolks ermutigte sie daher, weil es immer angenehmer ist, in großen Scharen als allein zu sterben. Von den zweitausendfünfhundert Streitwagenkriegern, die ausgezogen, waren nur noch fünfhundert Mann kampffähig, während die Rosse vor Müdigkeit strauchelten und die Köpfe bis zum Sand hinunterhängen ließen.
In ununterbrochenen Reihen langte auf diese Weis im Laufe des Tages der größte Teil des Heeres in Haremhabs Lager an, und jedermann wurde sofort eingesetzt, um Gräben auszuheben und Hindernisse aufzuführen, die den Streitwagen der Hetiter den Weg zur Wüste versperren sollten. Den noch fehlenden, vom Marsch erschöpften Truppen sandte Haremhab die Weisung, sich im Laufe der Nacht im befestigten Lager einzufinden; denn wer sich beim Morgengrauen noch in der Wüste befände, würde eines grausamen Todes durch die Hetiter sterben, falls den feindlichen Streitwagen ein Durchbruch über die Pässe in die Wüste gelingen sollte. Niemand aber zählte die Ankömmlinge, und Haremhab gestattete es auch nicht, weil es niemand nützte, ihre Zahl zu kennen, die jedenfalls neben der Heeresmacht der Hetiter gering war.
In der öden Wüste jedoch schien es, als seien die Ägypter in großer Menge versammelt. Das flößte ihnen Mut ein; vor allem aber vertrauten sie blind auf Haremhab, im Glauben, er werde sie aus den Händen der Hetiter erretten und diese schlagen. Doch während sie Hindernisse bauten, Schilfseile zwischen Pfähle über den Sand spannten und Steinblöcke heranwälzten, sahen sie die Streitwagen der Hetiter in Staubwolken gehüllt herannahen und vernahmen das Kampfgeschrei des Feindes. Da wurde ihnen kalt vor Schrecken, und die feindlichen Streitwagen mit ihren fürchterlichen Sensen jagten ihnen große Angst ein.
Aber die Nacht war bereits im Anzug, und die Hetiter wollten nicht zum Angriff übergehen, ohne zuerst das Gelände und die Stärke von Haremhabs Truppen erkundet zu haben. Deshalb schlugen sie ihr Lager in der Wüste auf, ließen ihre Pferde die Dornbüsche abweiden und zündeten Lagerfeuer an, die, soweit das Auge reichte, in der Wüste glommen. Die ganze Nacht kamen die Späher in leichten Kampfwagen bis an die Bollwerke herangefahren, erschlugen Wächter und fochten Scharmützel längs der Front aus, die sich auf Haremhabs Befehl nach beiden Richtungen weit in die Wüste hinausdehnte. An den beiden Flanken aber, wo die Hindernisse errichtet werden konnten, überraschten die Wüstenräuber und Freischärler die Hetiter, holten im Dunkel der Nacht viele von ihnen mit Wurfriemen von den Wagen herunter und erbeuteten die Gefährte mitsamt den Pferden, so daß nur wenige derjenigen Späher zurückkehrten, die sich von dem durch die Hetiter angelegten Wege zu weit in die Wüste hinausgewagt hatten.
Jedenfalls war die Nacht so erfüllt von Wagenrollen, Todesschreien und Waffengeklirr, daß die des Krieges nicht gewohnten Truppen vor Angst nicht zu schlafen wagten. Haremhab tröstete sie und
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