Sinuhe der Ägypter
euch kommen, weil ich wußte, daß ihr Ägypten liebt und ihm zuliebe zu großen Opfern bereit seid. Auch seid ihr die reichsten Leute Ägyptens, und jeder von euch ist durch eigenes Verdienst reich geworden. Deshalb bin ich überzeugt, daß ihr bald wieder zu eurem Reichtum gelangen werdet; denn der Vermögende wird immer wohlhabender, selbst wenn man ihm hie und da den überflüssigen Saft abzapft. Ihr guten Leute seid mein kostbarer Garten, den ich sehr liebe; und wenn ich euch auch wie Granatäpfel auspresse, so daß mir die Samenkerne zwischen den Fingern hervorquellen, will ich als guter Gärtner doch die fruchttragenden Bäume nicht beschädigen, sondern mich damit begnügen, von Zeit zu Zeit die Ernte einzubringen. Ihr dürft auch nicht vergessen, daß ich euch einen großen Krieg schenke, einen größeren, als ihr euch je hättet träumen lassen: in Kriegszeiten wächst das Vermögen eines reichen Mannes, und zwar desto üppiger, je länger der Krieg währt, und das kann keine Macht der Welt, nicht einmal das Steueramt des Pharao, verhindern. Deshalb sollt ihr mir dankbar sein, und mein Segen wird euch auf dem Heimweg begleiten. Zieht also in Frieden von hinnen und werdet wieder fett wie trächtiges Ungeziefer – denn das kann niemand verhindern. Ich habe auch nichts dagegen einzuwenden, wenn ihr mir zuweilen außer dem Erforderlichen noch Geschenke sendet; denn bedenkt, daß ich Syrien zurückerobern will! Ihr wißt wohl, was dies für Ägypten bedeutet und was es letztlich euch selbst nützt, wenn ich euch nach dem Sieg meine Gunst erweise. Jammert deshalb, wenn es euch erleichtert, ruhig weiter; ich höre euer Wehklagen gern, weil es in meinen Ohren Goldklang bedeutet.«
Mit diesen Worten schickte er die Reichen fort, und sie zogen wimmernd und winselnd und sich die Kleider zerreißend von dannen. Doch kaum waren sie draußen, hörten sie zu jammern auf und begannen eifrig ihre Verluste zu berechnen und zu beraten, wie sie diese wieder aufholen könnten. Haremhab aber sprach zu mir: »Ich gab ihnen den Krieg zum Geschenk! Von nun an können sie, wenn sie das Volk ausplündern, alles Böse den Hetitern zuschieben, wie auch der Pharao die Schuld an Hunger und Elend, die der Krieg über das Land Kêmet bringt, auf die Hetiter abwälzen kann. Schließlich wird doch das Volk alles bezahlen müssen; denn die Reichen werden es um ein Vielfaches von dem, was sie mir leihen, auspressen, worauf ich meinerseits wieder das Fett aus ihnen herausquetschen kann. Mir paßt dieses Mittel besser, als Kriegssteuern zu erheben; denn wenn das Volk Steuern bezahlen müßte, würde es meinen Namen verfluchen, während es ihn segnet und mich gerecht nennt, wenn ich die Kriegskosten aus den Reichen heraushole. Um meiner künftigen hohen Stellung willen muß ich danach trachten, meinen Ruf sorgsam zu wahren.«
Inzwischen stand das Deltaland in Flammen, herumstreifende Hetiter brannten Dörfer nieder und fütterten ihre Pferde mit sprießendem Getreide. Haufenweise tauchten Flüchtlinge in Memphis auf. Sie wußten so fürchterliche Dinge über die Zerstörungswut der Hetiter zu berichten, daß sich mein Herz vor Angst verkrampfte, meine Glieder zu zittern begannen, und ich Haremhab beschwor, sich zu beeilen. Er aber lächelte und sprach gelassen:
»Ägypten soll zuerst die Hetiter kennenlernen, damit das Volk endlich glaubt, daß es kein schlimmeres Schicksal gibt, als deren Herrschaft zu erleiden. Es wäre ein Wahnsinn, mit ungeübten Truppen und ohne Streitwagen auszuziehen. Sei ruhig, Sinuhe, Gaza gehört immer noch uns! Es ist der Grundstein, auf den ich diesen Krieg baue. Die Hetiter getrauen sich mit ihrer Hauptmacht nicht in die Wüste hinaus, bevor sie Gaza in Händen haben, weil sie zur See nicht die unbedingte Übermacht besitzen. Ich habe auch in der Wüste draußen Leute zum Überfall auf die Räuber und Freischärler und bin keineswegs so tatenlos, wie du in deiner Ungeduld anzunehmen scheinst. Bevor die Hetiter ihr Fußvolk durch die Wüste in das schwarze Land bringen, droht Ägypten keine besondere Gefahr. Ihre Kriegskunst gründet sich nämlich auf die Verwendung von Streitwagen; aber deren Bewegungsfreiheit wird in dem schwarzen Lande durch die Bewässerungskanäle beeinträchtigt, weshalb sie nur mit großem Zeitverlust von einem Ort zum anderen gelangen, bedeutungslose Dörfer niederbrennen und das Getreide zertrampeln. Je weniger Getreide es im Lande gibt, desto eher eilen die Ägypter unter meine
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