Sinuhe der Ägypter
die Wände des Lusthauses. Seine gierige Liebe machte ihn zu einem großen Künstler; denn bei den täglichen Begegnungen mit der Prinzessin Baketamon erglühte unter den Blicken ihrer mandelförmigen Augen sein Herz und verbrannte wie dürres Schilfgras zu Asche. Er strengte sich irrsinnig an, wurde vor Arbeit und Sehnsucht mager und bleich, und aus den Steinen in den verschiedensten Farben und Größen schuf er ein Lusthaus, wie noch nie eines erstellt worden war.
Aber die von Baketamon gesammelten Steine waren bald aufgebraucht, und sie mußte sich nach neuen umsehen. Deshalb ließ sie sich ans andere Ufer rudern und verdiente sich weitere Steine auf allen Märkten, in der Widderstraße und in den Tempelgärten, bis es schließlich in ganz Theben keinen Ort mehr gab, wo sie nicht Steine gesammelt hätte. Die Männer, welche ihr die Steine brachten, suchten sie vor aller Augen zu verbergen; aber schließlich wurde Baketamon doch von den Wächtern der Priester und des Pharao gefaßt, die sie wegen ihres Betragens fesseln und vor die Richter schleppen wollten. Da hob sie stolz das Haupt und sprach zu ihnen: »Ich bin die Prinzessin Baketamon und möchte gerne sehen, wer sich erdreistet, mich zu richten! Denn in meinen Adern fließt heiliges Blut, und ich bin die Erbin der Pharaonengewalt. Doch ich will euch nicht für eure Dummheit bestrafen, sondern mich auch mit euch einlassen, weil ihr kräftige, stattliche Männer seid. Dafür muß mir jeder einen Stein bringen. Holt diese Gaben aus dem Haus der Richter oder aus den Tempeln, und je größer die Steine sind, die ihr mir bringt, desto größer wird auch der Genuß sein, den ich euch bereite! Verlaßt euch auf mein Wort! Ich werde mein Bestes tun, und darin habe ich mir bereits eine bedeutende Geschicklichkeit erworben.«
Die Wächter betrachteten sie und wurden von der gleichen Tollheit befallen wie die übrigen Thebaner. Deshalb machten sie sich auf und brachen mit ihren Speeren große Steine aus dem Tor des Gerichtshauses und aus den Vorhöfen des Ammontempels und brachten sie Baketamon, worauf sie ihr Versprechen in reichem Maße erfüllte. Doch muß ich zu ihrer Ehre sagen, daß sie sich beim Steinesammeln niemals frech gebärdete; denn nachdem sie sich den Männern hingegeben, hüllte sie sich scheu in ihr Gewand, schlug den Blick nieder und gestattete niemand mehr, sie zu berühren. Nach dem Erlebnis mit den Wächtern aber mußte sie, um heimlich Steine sammeln zu können, Schutz innerhalb der Wände der Freudenhäuser suchen. So kam sie in viele derartige Stätten des Armenviertels, und für den Genuß, den sie bot, verlangte sie von jedem Kunden bloß einen Stein. Deshalb war sie ein gern gesehener Gast der Freudenhäuser, und die Wirte zogen großen Nutzen aus ihr. Aber um Wächtern und Volksansammlungen aus dem Weg zu gehen, mußte sie jeden Tag ein anderes Haus aufsuchen.
Zu jener Zeit wußten bereits alle Leute um ihr Tun, und die Höflinge schlichen sich in den Park, um heimlich das Lusthaus zu betrachten, das der Baumeister der Viehställe aus den Steinen ausführte, die sie ihm lieferte. Als die Hofdamen die Höhe der Wände und die zahllosen großen und kleinen Steine erblickten, schlugen sie die Hände vor den Mund und stießen laute Ausrufe des Erstaunens aus. Kein Mensch getraute sich jedoch, Baketamon selbst etwas zu sagen oder sie zu warnen, und Eje, der in seiner Eigenschaft als Pharao ihrem Treiben vielleicht hätte Einhalt gebieten können, freute sich in der Torheit seines Alters, als er davon hörte, weil er dachte, dies werde Haremhab großen Verdruß bereiten; denn alles, was Haremhab ärgerte, machte ihm Vergnügen.
Haremhab aber führte Krieg in Syrien, eroberte Sidon, Simyra und Byblos von den Hetitern und schickte viele Beutestücke und Sklaven nach Ägypten, und seiner Gemahlin sandte er prachtvolle Geschenke. In Theben wußte bereits jedermann, was sich in dem goldenen Haus zutrug; doch hatte kein Mensch den Mut, Haremhab über das Benehmen seiner Frau aufzuklären, und seine eigenen Leute, denen er hohe Ämter verliehen hatte, taten, als merkten sie nichts. Sie sprachen zueinander: »Das ist ein Familienzwist. Es ist klüger, die Hand zwischen zwei Mühlsteine zu stecken, als sich in einen Streit zwischen Mann und Frau einzumischen, weil dann sofort beide über einen herfallen!« Deshalb erfuhr Haremhab nichts von den Vorgängen in Theben, und ich glaube, das war für Ägypten gut; denn das Wissen um Baketamons Gebaren hätte
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