Sinuhe der Ägypter
wurde, daß sich die Göttin schon zum dritten Mal dem Volke offenbart habe, wurde alles von einer großen Unruhe ergriffen; sogar ehrbare Männer liefen ihren Frauen davon in die Weinschenken und holten sich nächtlicherweile Steine aus den Bauten des Pharao. So lief am folgenden Tag jeder männliche Einwohner der Stadt mit einem Stein unter dem Arm von Markt zu Markt und erwartete ungeduldig das Erscheinen der Katzenhäuptigen. Nun gerieten die Priester vollends in Bestürzung und sandten ihre Wächter aus, um die Frau, die so viel Zügellosigkeit und Gerüchte verursachte, zu ergreifen.
An diesem Tag jedoch fuhr die Prinzessin Baketamon nicht in die Stadt, sondern ruhte sich in dem goldenen Haus von ihren Anstrengungen aus, lächelte jeden, der mit ihr sprach, an, benahm sich äußerst liebenswürdig, wand beim Reden schüchtern ihren Leib und hielt sich die Hand vor den Mund, um das Gähnen zu verbergen. Der Hof wunderte sich sehr über ihr Gebaren; denn noch ahnte niemand, daß sie wirklich die geheimnisvolle Frau war, die sich dem Volke Thebens offenbart und sich mit Kohlenbrennern und Fischausweidern ergötzt hatte.
Die Prinzessin Baketamon aber betrachtete die Steine, die sie in allen Größen und Farben erhalten hatte, ließ den Baumeister der königlichen Viehställe zu sich in den Park kommen, unterhielt sich liebenswürdig mit ihm und sprach: »Ich habe diese Steine am Ufer gesammelt. Sie sind mir heilig, und an jeden von ihnen knüpft sich eine frohe Erinnerung, die ich desto lebendiger fühle, je größer der Stein ist. Führe mir daher aus diesen Steinen ein Lusthaus auf, damit ich ein Dach über dem Haupte habe; denn mein Gemahl vernachlässigt mich und vertreibt mich, wie du wohl weißt und gehört hast, aus meinen Gemächern. Aber baue das Lusthaus hoch und geräumig, und beginne sofort mit der Arbeit! Wenn nötig, werde ich dir mehr Steine verschaffen, damit du nicht zu fürchten brauchst, der Vorrat könne sich vorzeitig erschöpfen.«
Der Baumeister der Viehställe war ein einfacher Mann, sein Lendentuch war grau vom Staub der behauenen Steine, seine Schultern waren verkrümmt vom vielen Steinschleppen, und er war nicht gewohnt, mit vornehmen Frauen zu sprechen. Er bohrte daher schüchtern mit den Zehen im Sand, schlug die Augen vor der Prinzessin nieder und meinte demütig: »Hohe Prinzessin Baketamon, ich fürchte, meine Kunstfertigkeit werde nicht genügen, um dir ein Lusthaus zu bauen, das deines Ranges würdig wäre. Auch sind die Steine von sehr verschiedener Farbe und Größe, weshalb ihr Zusammenfügen große Schwierigkeiten bereiten und einen vollendeten künstlerischen Geschmack erfordern wird. Vertraue diese Aufgabe lieber einem vornehmen Tempelbauer oder Künstler an; denn ich fürchte, bei meiner Ungeschicklichkeit deinen schönen Gedanken nicht ausführen zu können, so daß du die Steine umsonst gesammelt hast.«
Aber die Prinzessin Baketamon berührte sachte seine knöcherne Schulter und sprach: »Mein lieber Steinsetzer der Viehställe, ich bin nur eine arme Frau, mein Mann mißachtet mich, und ich kann es mir nicht leisten, vornehme Baumeister zu dingen. Auch dir kann ich, so gern ich es möchte, kein angemessenes Geschenk für diese Arbeit machen; aber wenn das Lusthaus fertiggestellt ist, will ich es mit dir besichtigen, und wenn ich damit zufrieden bin, werde ich mich dir darin hingeben. Das verspreche ich dir. Ich habe dir nichts anderes zu bieten; aber ein wenig Genuß werde ich dir wohl zu spenden vermögen, da ich noch nicht ganz alt und häßlich bin – und das soll dein Lohn sein. Auch glaube ich, daß du mir ein wahres Lustgefühl geben kannst; denn du bist ein kräftiger Mann mit starken Armen, und ich bin eine kleine Frau, die sich nach Freude sehnt, weil mein Gemahl, wie du wohl weißt, mir keine bereitet.«
Ihre Worte und die Berührung ihrer Hand reizten den Baumeister der Viehställe sehr, ihre Schönheit machte ihm einen großen Eindruck, und er entsann sich aller Märchen von Prinzessinnen, die sich in arme Männer verlieben und ihnen zu Gefallen sind. Wohl fürchtete er sich gewaltig vor Haremhab; doch war sein Verlangen stärker als seine Angst, und Baketamons Worte schmeichelten ihm. Deshalb begann er in aller Eile aus den von Baketamon gesammelten Steinen im Park des goldenen Hauses ein Lusthaus aufzuführen, und er bemühte sich dabei aus allen Kräften. Während der Arbeit träumte er mit wachen Augen, und mit jedem Stein fügte er einen Traum in
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