Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
gesehen.

    5

    »Ist das dein Haus?« fragte ich sie, als sie neben mir saß und mich mit ihren harten grünen Augen musterte.
    »Es ist mein Haus«, sagte sie, »und die Gäste sind meine Gäste, und jeden Abend sehe ich Gäste bei mir, denn ich will nicht allein sein.«
    »Du bist sicherlich sehr reich«, sagte ich betrübt, denn ich fürchtete, ihrer nicht würdig zu sein. Sie aber lachte über mich, wie man über ein Kind lacht, und sprach spöttisch mit den Worten des Märchens: »Ich bin eine Priesterin und keine verächtliche Frau. Was willst du von mir?« Ich aber verstand nicht, was sie damit meinte.
    »Und Metufer?« fragte ich, denn ich wollte alles wissen, selbst wenn es mir Schmerzen bereiten sollte. Sie sah mich forschend an, runzelte ihre gemalten Brauen. »Weißt du nicht, daß Metufer tot ist?« fragte sie. »Metufer starb, weil er Mittel für sich verwendete, die sein Vater für einen Tempelbau vom Pharao erhalten hatte. Metufer starb, und sein Vater ist nicht mehr königlicher Baumeister. Wußtest du das nicht?«
    »Wenn das wahr ist«, sagte ich lächelnd, »könnte ich fast glauben, Ammon habe ihn gestraft, denn er verhöhnte Ammons Namen.« Ich erzählte ihr, wie der Priester und Metufer dem Bildwerk Ammons ins Gesicht gespuckt, es so gewaschen und sich selbst mit Ammons heiligem Öl gesalbt hatten. Auch sie lächelte, aber ihre Augen blieben hart dabei, und ihr Blick verlor sich in weiter Ferne. Und plötzlich sagte sie: »Warum kamst du damals nicht zu mir, Sinuhe? Hättest du mich gesucht, so würdest du mich gefunden haben. Du hast schlecht gehandelt, als du, statt zu mir zu kommen, mit meinem Ring am Finger zu anderen Frauen gingst.«
    »Ich war noch ein Knabe und hatte wohl Furcht vor dir«, sagte ich. »Doch in meinen Träumen, Nefernefernefer, warst du meine Schwester, und du magst über mich lachen oder nicht, aber ich habe noch kein Weib umarmt, weil ich auf ein Wiedersehen gewartet habe.«
    Sie lächelte und winkte abwehrend mit der Hand. »Du lügst bestimmt«, sagte sie. »In deinen Augen bin ich sicher ein altes, häßliches Weib, das du zum Spaß verhöhnst und belügst.« Sie sah mich an, und ihre Augen lächelten schelmisch wie einst, und sie verjüngte sich vor mir und war wie früher, so daß mich das Herz bei ihrem Anblick schmerzte.
    »Es ist wahr, daß ich noch nie ein Weib aus Lust berührt habe«, sagte ich. »Vielleicht aber ist es nicht wahr, daß ich bloß auf dich gewartet habe. Ich will ehrlich gegen dich sein. An mir sind viele Frauen vorübergezogen, junge und alte, schöne und häßliche, kluge und einfältige, aber ich habe sie alle nur mit den Augen des Arztes betrachtet, und zu keiner ist mein Herz in Liebe entbrannt, wenn ich auch nicht verstehe, womit das zusammenhängt.« Und weiter sagte ich: »Ich könnte leicht behaupten, daß es mit dem Stein zusammenhängt, den du mir zur Erinnerung an deine Freundschaft gabst, und daß du mich ohne mein Wissen verhext hast, indem du meine Lippen mit den deinigen berührtest, die so wundersam weich waren. Doch das ist keine Erklärung. Deshalb magst du mich auch tausendmal ›Warum?‹ fragen, ich kann dir doch keine Antwort geben.«
    »Vielleicht bist du als Kind von einer Fuhre rücklings auf eine Deichsel gefallen und davon schwermütig geworden, so daß du dich bloß in der Einsamkeit wohl fühlst«, scherzte sie und berührte mich so zart mit ihrer Hand, wie noch kein Weib mich je berührt hatte. Und ich brauchte nicht zu antworten, denn sie wußte selbst, daß das, was sie gesagt hatte, nicht der Wahrheit entsprach. Deshalb zog sie rasch ihre Hand zurück und flüsterte: »Laß uns zusammen Wein trinken, um unsere Herzen zu erfreuen. Vielleicht werde ich wirklich noch mit dir der Liebe genießen, Sinuhe.« Wir tranken Wein, und die Sklaven trugen einige Gäste hinaus in die Sänften, und Haremhab schlang seinen Arm um das Weib, das neben ihm saß, und nannte sie seine Schwester. Die Frau lächelte und legte ihm die Hand auf den Mund und ermahnte ihn, keine Dummheiten zu reden, die er am folgenden Tag bereuen könnte. Aber Haremhab erhob sich und rief mit dem Becher in der Hand:
    »Was immer ich auch tue, ich werde es nie bereuen, denn von diesem Tag an will ich stets vorwärts und nie mehr rückwärts blicken. Das schwöre ich bei meinem Falken und bei den tausend Göttern der beiden Reiche. Vermag ich auch ihre Namen nicht aufzuzählen, so sollen sie doch meinen Eid vernehmen.« Er nahm die goldene Kette von

Weitere Kostenlose Bücher