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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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seinem Hals und wollte sie dem Weib umhängen, doch es sträubte sich und sagte zornig: »Ich bin eine anständige Frau, keine Straßendirne.« Sie stand auf und ging mit gekränkter Miene, aber unter der Tür winkte sie Haremhab, ohne daß die anderen es sahen, und Haremhab folgte ihr, und an diesem Abend habe ich die beiden nicht mehr gesehen.
    Dies erregte jedoch kein Aufsehen, denn der Abend war weit vorgerückt, und die Gäste hätten sich schon längst nach Hause begeben sollen. Aber alle fuhren fort, Wein zu trinken, und taumelten im Saal herum und stolperten über die Schemel und rasselten mit den Klappern, die sie den Musikanten geraubt hatten. Sie umarmten einander und nannten sich gegenseitig Brüder und Schwestern, um sich dann nach einer Weile zu verprügeln und verschnittene Schweine zu schimpfen. Die Frauen nahmen ohne jedes Schamgefühl die Perücken ab und ließen die Männer ihre glatten Schädel streicheln, denn seitdem die vornehmen und reichen Damen ihre Häupter zu rasieren begonnen hatten, gab es keinen größeren Anreiz für die Männer. Einige der Männer näherten sich auch Nefernefernefer, aber sie wehrte ihnen, und ich trat ihnen auf die Zehen, ohne mich um ihren Rang und ihre Stellung zu kümmern, denn alle waren sie vom Wein betrunken.
    Ich aber war nicht vom Wein, sondern von ihrer Nähe und ihrer Berührung berauscht, bis sie ein Zeichen gab, und die Diener begannen, die Lichter zu löschen, die Tische und Schemel fortzuschleppen, die zertretenen Blumen und Kränze wegzuräumen und die letzten über den Weinkrügen eingeschlafenen Gäste zu den Sänften hinauszutragen. Da sagte ich zu ihr: »Ich muß wohl gehen.« Aber jedes Wort brannte in meinem Herzen wie Salz in einer Wunde, denn ich wollte sie nicht verlieren, und jeder Augenblick fern von ihr schien mir vergeudet.
    »Wo willst du hingehen?« fragte sie und tat erstaunt.
    »Auf die Straße, um die ganze Nacht vor deinem Haus zu wachen«, sagte ich. »In jedem Tempel des Lebens will ich den Göttern opfern, zum Dank dafür, daß ich dir noch einmal begegnet bin, denn seit ich dich wiedergesehen, glaube ich von neuem an die Götter. Ich gehe Blüten von den Bäumen pflücken, um sie dir zu Füßen zu streuen, wenn du aus deinem Hause trittst. Ich gehe Myrrhe kaufen, um deine Türpfosten damit zu salben.«
    Sie aber lächelte und sprach: »Du tust besser, nicht zu gehen, denn Blumen und Myrrhe besitze ich selbst. Du tust besser, nicht zu gehen, denn vom Wein berauscht, könntest du dich leicht zu fremden Frauen verirren, und das kann ich nicht gestatten.« Ihre Worte erfüllten mich mit Jubel, und ich wollte sie an mich ziehen, aber sie wehrte mir und sagte: »Laß mich! Meine Diener würden mich sehen, und das will ich nicht, denn obwohl ich allein wohne, bin ich keine verachtenswerte Frau. Doch, da du ehrlich gegen mich sein willst, will ich es auch dir gegenüber sein. Deshalb wollen wir uns noch nicht auf jene Sache einlassen, deretwegen du gekommen bist, sondern ich will dich in den Garten führen und dir dort ein Märchen erzählen.«
    Sie führte mich in ihren mondbeschienenen Garten, wo Myrrhe und Akazien dufteten und in dem mit bunten Steinen eingefaßten Teich die Lotosblumen ihre Kelche zur Nacht geschlossen hatten. Die Diener gossen Wasser über unsere Hände und brachten Gänsebraten und in Honig eingelegte Früchte, und Nefernefernefer sagte: »Iß und freue dich mit mir, Sinuhe.« Aber meine Kehle war rauh von Begierde, und ich vermochte nichts zu essen. Sie sah mich schelmisch lächelnd an und aß mit gutem Appetit, und jedesmal, wenn sie mich ansah, spiegelte sich des Mondes Licht in ihren Augen. Als sie gegessen hatte, sprach sie:
    »Ich versprach, dir ein Märchen zu erzählen und will es jetzt tun, denn es währt noch lange bis zum Morgen, und ich bin nicht schläfrig. Es ist das Märchen von Setne Khemvese und Tabubue, der Priesterin Basts.«
    »Ich kenne das Märchen«, sagte ich und vermochte meine Ungeduld nicht länger zu beherrschen. »Ich habe es schon oft gehört, meine Schwester. Folge mir, damit ich dich in meine Arme schließe und du auf meinen Armen schläfst. Komm, meine Schwester, denn mein Leib ist krank vor Sehnsucht, und kommst du nicht, so werde ich mein Gesicht an den Steinen zerkratzen und vor Begierde schreien.«
    »Still, still, Sinuhe«, sagte sie und berührte mich mit ihrer Hand. »Du bist hitzig, und ich fürchte mich vor dir. Deshalb will ich dir zu deiner Beruhigung das Märchen

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