Sinuhe der Ägypter
Augen verdrehen. Das ist einfach, wenn du willst.«
»Nein, nein«, sagte er. »Du verstehst mich falsch, Sinuhe. Es fehlt mir nicht an Kraft. Ich brauche eine Arznei, die mich von meiner Torheit heilt. Ich will ein Mittel haben, das mein Herz beruhigt und hart wie Stein werden läßt.«
»Ein solches Mittel gibt es nicht«, sagte ich. »Es braucht nur ein Lächeln und einen Blick aus grünen Augen, und schon ist jede Heilkunst machtlos. Ich weiß es aus eigener Erfahrung. Aber die Weisen haben behauptet, daß ein böser Geist mit einem anderen vertrieben werden könne. Ich weiß nicht, ob das wahr ist, aber ich vermute, daß der nachfolgende schlimmer sein kann als der erste.«
»Was meinst du damit?« fragte er ärgerlich. »Ich habe genug von Worten, die die Dinge nur verdrehen und entstellen und die Zunge verrenken.«
»Du mußt ein anderes Weib finden, das das erste aus deinem Herzen verbannt«, sagte ich. »Das habe ich gemeint. Theben ist voll von schönen, verführerischen Frauen, die ihr Antlitz bemalen und sich in dünnstes Leinen kleiden. Vielleicht gibt es unter ihnen eine, die gewillt ist, dir zuzulächeln. Du bist ja jung und stark, hast schlanke Glieder und eine goldene Kette um den Hals. Doch verstehe ich nicht, was dich von jener trennen könnte, die du begehrst, selbst wenn sie verheiratet sein sollte. Keine Mauer ist so hoch, daß sie die Liebe hemmen könnte, und wenn ein Weib einen Mann begehrt, überwindet ihre Schlauheit jedes Hindernis. Das beweisen die Märchen aus beiden Reichen. Man behauptet auch, die Treue eines Weibes sei wie der Wind, der immer gleich bleibt und nur die Richtung ändert. Auch versichert man, des Weibes Tugend sei wie Wachs, das in der Wärme schmilzt. Und nicht der Betrüger, sondern der Betrogene erleidet Schmach. So ist es stets gewesen und wird es immer bleiben.«
»Sie ist nicht verheiratet«, sagte Haremhab ungeduldig. »Du redest vergebens von Treue, Tugend und Schmach. Sie sieht mich nicht einmal, wenn ich vor ihren Augen stehe. Sie greift nicht nach meiner Hand, wenn ich sie ausstrecke, um ihr beim Besteigen der Sänfte behilflich zu sein. Vielleicht hält sie mich für schmutzig, weil die Sonne meine Haut schwarz gebrannt hat.«
»Sie ist also eine Vornehme?« fragte ich.
»Es lohnt sich nicht, von ihr zu reden«, sträubte sich Haremhab. »Sie ist schöner als der Mond, die Sterne, aber mir ferner als diese. Wahrlich, eher könnte ich den Mond in meine Arme schließen als sie. Deshalb muß ich sie vergessen. Deshalb muß ich fort von Theben, sonst sterbe ich.«
»Dein Verlangen steht wohl nicht nach der großen königlichen Mutter«, scherzte ich, um ihn zum Lachen zu bringen. »Ich glaubte, sie sei zu alt und zu dick, um einem jungen Mann zu gefallen.«
»Die hat ja ihren Priester«, sagte Haremhab verächtlich. »Ich glaube, die beiden trieben schon zu Lebzeiten des Königs ihr treuloses Spiel.« Ich aber hob die Hand, um ihn am Weiterreden zu hindern, und sagte: »Wahrlich, du hast aus vielen giftigen Brunnen getrunken, seit du nach Theben kamst.«
Haremhab sagte: »Sie, die ich begehre, malt ihre Lippen und Wangen orangerot, und ihre Augen sind länglich und dunkel, und keiner hat ihre Glieder unter dem königlichen Leinen berührt. Ihr Name ist Baketamon, und in ihren Adern fließt das Blut der Pharaonen. Jetzt kennst du meine ganze Torheit, Sinuhe. Doch wenn du dieses jemandem verrätst oder mich mit einem Wort daran erinnerst, werde ich dich aufsuchen und töten, wo immer du dich befinden magst, und werde dir deinen Kopf zwischen die Beine legen und deinen Leichnam auf die Mauer werfen. Nicht einmal ihren Namen darfst du jemals in meiner Anwesenheit nennen, denn wahrlich, dann würde ich dich umbringen.«
Ich war bestürzt, daß ein Niedriggeborener es wagte, seinen Blick zu der Tochter des Pharao zu erheben und sie in seinem Herzen zu begehren. Deshalb sagte ich: »Kein Sterblicher darf sie berühren, und wenn einer sie ehelicht, so ist es ihr Bruder, der Thronfolger, um sie zu seinesgleichen und zu seiner erhabenen königlichen Gemahlin zu machen. So wird es geschehen, am Totenbett des Königs las ich es in den Augen der Prinzessin, die niemanden außer ihren Bruder anblickte. Ich fürchte sie, denn sie ist ein Weib, dessen Glieder niemanden wärmen, und in ihren mandelförmigen Augen wohnten Leere und Tod. Daher sage auch ich: Verschwinde, Haremhab, mein Freund, denn Theben ist nichts für dich.«
Doch Haremhab sprach ungeduldig: »Das
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