Sinuhe der Ägypter
mit dem Gehirn, verbraucht viel Papyrus und diktiert einer Menge Schreiber vielerlei wichtige Befehle, die du, Sinuhe, nicht begreifst, weil sie nicht zu deinem Beruf gehören, wie ich meinerseits nichts vom Beruf des Arztes verstehe, obwohl ich deine Kunst ehre. Deshalb empfinde ich es beinahe als eine Schande, mir Hände und Gesicht mit dem Blut dieser Viehdiebe besudelt zu haben, aber ich konnte nicht anders; denn wäre ich nicht an der Spitze meiner Leute vorangefahren, so wären sie mutlos jammernd zusammengebrochen. Diese ägyptischen Soldaten, die seit zwei Menschenaltern kein Blut gerochen haben, sind wahrhaftig noch ein erbärmlicheres und feigeres Pack als die Chabiri.«
Ich konnte jedoch nicht glauben, daß er im Kampf nicht für sein Leben fürchtete, wenn er als erster gegen die Speere fuhr. Deshalb meinte ich beharrlich: »Deine Haut ist warm, und darunter fließt wie bei allen Menschen warmes Blut. Hast du dich selbst durch irgendeine starke Beschwörung gefeit, damit du unverwundbar bist, oder wie ist es sonst möglich, daß du keine Furcht verspürst?«
Er sprach: »Wohl habe ich von solchen Beschwörungen gehört, und viele Soldaten tragen um den Hals ein Zaubersäcklein, das sie beschützen soll, aber nach der gestrigen Schlacht sind viele solcher Zaubersäcklein bei den Gefallenen gefunden worden, und deshalb glaube ich nicht an solche Zauberei, obwohl sie natürlich von Nutzen sein kann, indem sie einem ungelehrten Mann, der weder lesen noch schreiben kann, Glauben an sich selbst und Tapferkeit im Kampf einflößen kann. Offen gestanden ist das alles Dreck, Sinuhe. Mein Fall liegt ganz anders, denn ich weiß, daß ich dazu auserkoren bin, große Taten auszuführen, doch woher ich es weiß, kann ich dir nicht sagen. Ein Krieger hat entweder Glück oder nicht, und mir ist das Glück treu gewesen, seit dem Augenblick, da mich der Falke zum Pharao führte. Allerdings fühlte sich mein Falke nicht heimisch im Palast, sondern flog seines Weges, um nicht mehr wiederzukehren. Doch als wir auf unserem Marsch durch die Wüste Sinai nach Syrien Hunger und vor allem schweren Durst litten – denn auch ich litt mit meinen Soldaten, weil ich ihre Leiden kennenlernen wollte –, sah ich in einem Tal einen brennenden Busch. Es war ein Feuer, das einem großen Busch oder Baum glich und nicht ausbrannte oder kleiner wurde, sondern bei Tag und Nacht weiterbrannte, und rundherum entströmte der Erde ein Geruch, der mir zu Kopf stieg und mich mutig machte. Ich sah es, als ich an der Spitze meiner Truppen in meinem Wagen fuhr und die Raubtiere der Wüste jagte, und kein anderer sah es als ich und mein Wagenlenker, der es bezeugen kann. Von jener Stunde an aber wußte ich, daß weder Speere noch Pfeile noch Streitkeulen mich treffen würden, ehe meine Zeit erfüllt ist; doch wieso ich es weiß, kann ich nicht sagen, denn solches bleibt uns verborgen.«
Ich glaubte an seine Erzählung und verehrte ihn sehr, denn Haremhab hatte keinen Grund, eine solche Geschichte zu erdichten, um mich zu ergötzen, auch glaube ich nicht, daß er beim besten Willen fähig gewesen wäre, sich so etwas auszudenken, denn er war ein Mensch, dessen Wissen und Glauben sich auf das beschränkte, was er mit den Augen sehen und mit den Händen greifen konnte.
Am dritten Tag teilte Haremhab seine Truppen auf; einen Teil davon sandte er mit der Beute nach Jerusalem zurück, da sich nicht genügend Kaufleute zum Ankauf von Sklaven, Kochgeschirr und Getreide auf dem Kriegsschauplatz einfanden; einen anderen Teil hieß er das Vieh auf die Weide treiben. Für die Verwundeten wurde ein Lager aufgeschlagen, zu dessen Bewachung Soldaten des Löwenschweifes zurückblieben, doch starben die meisten Verwundeten. Haremhab selbst aber nahm mit seinen Streitwagen die Verfolgung der Chabiri auf, denn aus Verhören mit Gefangenen hatte er erfahren, daß die Chabiri ihren Gott auf der Flucht mit sich führten.
Mich nahm er mit, obgleich ich keine Lust hatte, ihm zu folgen, und ich stand im Streitwagen hinter ihm und hielt den Arm um seinen Leib geschlungen und wünschte, nie geboren worden zu sein, denn er raste wie ein Wahnsinniger dahin, so daß ich jeden Augenblick fürchtete, der Wagen werde stürzen und ich kopfüber auf einen Steinhaufen fliegen. Doch er lachte mich aus und verspottete mich und sagte, er wolle mich den Krieg schmecken lassen, da ich gekommen sei, um zu erfahren, ob der Krieg mir etwas zu sagen habe.
Ich bekam den Krieg wahrhaftig zu
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