Sinuhe der Ägypter
schmecken und sah die Streitwagen wie einen Wirbelwind über die Chabiri herfallen, die, singend vor Freude und Palmzweige schwenkend, das geraubte Vieh in ihre Wüstenverstecke trieben. Haremhabs Rosse zerstampften Greise und Frauen und Kinder, und er selbst war vom Rauch der brennenden Zelte umwogt. So lehrte er die Chabiri unter Tränen und Blut einsehen, daß sie besser taten, in Armut in der Wüste zu leben und in ihren Verstecken Hungers zu sterben, als das fruchtbare und reiche Syrien anzugreifen, um ihre verbrannte Haut mit Öl zu salben und sich mit gestohlenem Getreide zu mästen. So lernte ich den Krieg kennen, der nicht mehr ein Krieg, sondern Verfolgung und Mord war, bis Haremhab genug davon hatte und die von den Chabiri umgeworfenen Grenzsteine wiederaufrichten ließ, ohne sie weiter in die Wüste hinauszuversetzen, was er ganz gut hätte tun können, denn er sagte:
»Ich muß einen letzten Rest Chabiri verschonen, um meine Soldaten im Kampf üben zu können; denn wenn ich sie alle töte, dann gibt es auf der ganzen Erde keinen Platz mehr, wo ich Krieg führen kann. Schon seit vierzig Jahren herrscht Frieden in der Welt, und alle Völker leben in Eintracht miteinander, und die Könige der großen Reiche nennen sich in ihren Briefen Brüder und Freunde, und der Pharao sendet ihnen Gold, damit sie ihm goldene Standbilder in den Tempeln ihrer Götter errichten können. Deshalb muß ich einen Rest Chabiri am Leben erhalten, denn in einigen Jahren, wenn sie vergessen haben, was sie jetzt erlebten, treibt sie der Hunger wieder aus der Wüste in die fruchtbaren Täler.«
Auch den Gott der Chabiri holte er in seinem Streitwagen ein und stieß wie ein Falke auf ihn nieder, so daß die Träger den Gott zu Boden warfen und vor den Streitwagen in die Berge flohen. Haremhab ließ diesen Gott zu Brennholz zerhacken und verbrannte ihn vor Sekhmet, und da schlugen die Soldaten sich vor die Brust und meinten voller Stolz: »Seht, wie wir den Gott der Chabiri verbrennen!« Der Name dieses Gottes war Jehou oder Jahve, und die Chabiri hatten keinen anderen Gott als ihn. Deshalb mußten sie ohne Gott und ärmer, als sie gekommen waren, in die Wüste zurückziehen, obwohl sie bereits vor Freude gesungen und mit Palmzweigen gewedelt hatten.
5
Haremhab kehrte zurück nach Jerusalem, wo die Flüchtlinge aus den Grenzgebieten inzwischen zusammengeströmt waren, und er verkaufte ihnen ihr Vieh, ihr Getreide und ihr Kochgeschirr, so daß sie sich die Kleider zerrauften und riefen: »Dieser Räuber ist schlimmer als die Chabiri!« Doch litten sie keine Not, denn sie konnten Geld von ihren Tempeln, von den Kaufleuten und vom Steueramt leihen, und was sie nicht einzulösen vermochten, das verkaufte Haremhab an die aus ganz Syrien in Jerusalem versammelten Kaufleute. Auf diese Art konnte er die Beute in Kupfer und Silber unter die Soldaten verteilen, und jetzt verstand ich auch, warum so viele Verwundete, trotz meiner Anstrengungen, sie zu retten, zugrunde gegangen waren. Ihre Kameraden erhielten dadurch einen größeren Teil der Beute, und außerdem hatten sie den Verwundeten Kleider, Waffen und Schmuck gestohlen und ihnen weder zu essen noch zu trinken gegeben, so daß sie sterben mußten. Nun begriff ich auch, weshalb ungelehrte Feldscherer so gerne die Truppen auf ihren Feldzügen begleiteten und als reiche Männer nach Ägypten zurückkehrten, obwohl ihre Geschicklichkeit gering war.
Jerusalem aber war erfüllt vom Lärm der Kriegsleute und der syrischen Instrumente. Die Soldaten besaßen Kupfer und Silber und tranken Bier und trieben Wollust mit geschminkten Mädchen, die die Kaufleute mitgebracht hatten. Sie zankten und rauften miteinander und schlugen sich blutig und plünderten einander und auch die Kaufleute aus, so daß täglich Männer mit dem Kopf nach unten an der Mauer hingen. Den Soldaten ward dabei jedoch nicht übel zumute, sondern sie meinten: »So ist es stets gewesen und wird es immer bleiben.« Sie verschwendeten ihr Kupfer und ihr Silber für Bier und Mädchen, bis die Kaufleute mit diesem Kupfer und Silber ihres Weges zogen. Haremhab erhob Steuern von den ankommenden wie von den abziehenden Kaufleuten und wurde reich, obwohl er zugunsten der Soldaten auf seinen Beuteteil verzichtet hatte. Dies bereitete ihm jedoch wenig Freude, denn als ich mich vor meiner Rückkehr nach Simyra von ihm verabschiedete, sagte er zu mir:
»Dieser Feldzug ist zu Ende, bevor er recht begonnen hat, und der Pharao tadelt mich
Weitere Kostenlose Bücher