Sinuhe der Ägypter
in einem Schreiben, weil ich trotz seinem Verbot Blut vergossen habe. Jetzt muß ich meine Soldaten nach Ägypten zurückführen, die Truppen auflösen und ihre Löwenschweife und Sperber in den Tempeln aufbewahren lassen. Was die Folge davon sein wird, kann ich wahrhaftig nicht sagen, denn meine Truppen sind in ganz Ägypten die einzigen geübten, während die übrigen zu nichts anderem taugen, als die Mauern zu beschmutzen und die Frauen in den Straßen zu belästigen. Bei Ammon, es ist ein leichtes für einen Pharao, in einem goldenen Palast Hymnen zu Ehren seines Gottes zu schreiben und zu glauben, alle Völker könnten mit Liebe allein regiert werden; er sollte nur einmal das Wehklagen der verstümmelten Männer und den Jammer der Frauen in den brennenden Dörfern hören, wenn der Feind über die Grenze eingebrochen ist, dann würde er vielleicht auf andere Gedanken kommen.«
»Ägypten besitzt keine Feinde, dazu ist es zu reich und mächtig«, sagte ich. »Auch dein Ruf ist über ganz Syrien geflogen, und die Chabiri werden es nicht mehr wagen, die Grenzsteine zu versetzen. Warum solltest du also nicht deine Truppen auflösen? Denn um die Wahrheit zu gestehen, toben sie in ihrer Trunksucht wie Raubtiere, und ihre Lagerstellen stinken von ihrem Wasser, und ihre Leiber sind voll Ungeziefer.«
»Du redest von Dingen, die du nicht verstehst«, sprach er, starrte vor sich hin und kratzte sich verärgert in der Achselhöhle, denn sogar das Lehmhaus des Stadtkönigs wimmelte von Ungeziefer. »Ägypten glaubt, sich selbst zu genügen, und das ist ein Irrtum, denn die Welt ist groß, und im geheimen wird eine Saat gesät, aus der Feuer und Verheerung wachsen kann. So habe ich zum Beispiel vernommen, daß der König der Amoriter mit großem Eifer Pferde sammelt und Streitwagen aufkauft, was ihm ganz und gar nicht ansteht, denn er sollte lieber dem Pharao seine Steuern pünktlicher entrichten. Bei seinen Gelagen prahlen die Vornehmen damit, daß die Amoriter einst die ganze Welt beherrscht hätten, was nur insofern richtig ist, als die letzten Hyksos noch in ihrem Lande wohnen.«
»Dieser Aziru ist mein Freund und ein eitler Mann, denn ich habe seine Zähne vergoldet«, sagte ich. »Auch glaube ich, daß er jetzt anderes zu tun hat, denn er dürfte sich eine Frau genommen haben, die ihm die Kraft aus den Lenden saugt und ihn in kurzer Zeit schwach machen wird.«
»Du weißt manches, Sinuhe«, sagte Haremhab und betrachtete mich forschend. »Du bist ein freier Mann, der über sich selbst bestimmt und von einer Stadt in die andere reist und viele Dinge vernimmt, die andere nicht erfahren. Wenn ich an deiner Stelle und frei wie du wäre, würde ich zu Studienzwecken alle Länder bereisen. Im Lande Mitani würde ich umherreisen und Babylon besuchen, und vielleicht würde ich mir auch einmal die Streitwagen, welche die Hetiter jetzt verwenden, ansehen und ihren Truppenübungen beiwohnen, und die Meeresinseln würde ich besuchen, um mich davon zu überzeugen, wie mächtig eigentlich ihre Schiffe sind, von denen so viel berichtet wird. Leider kann ich es nicht selbst tun, weil der Pharao mich heimgerufen hat. Außerdem ist mein Name bereits in ganz Syrien bekannt, so daß ich das, was ich erfahren möchte, kaum zu hören bekäme. Du aber, Sinuhe, trägst syrische Kleidung und sprichst eine Sprache, die die Gebildeten aller Länder sprechen. Auch bist du ein Arzt, und niemand wird vermuten, daß du Dinge, die außerhalb deines Berufes liegen, begreifst. Deine Rede ist schlicht, sie klingt oft kindisch in meinen Ohren, und du blickst mich mit offenen Augen an, aber trotzdem weiß ich, daß dein Herz verschlossen ist und daß du Geheimnisse birgst, die kein Mensch kennt. Stimmt das?«
»Vielleicht stimmt es«, sagte ich, »doch was willst du von mir?«
»Was würdest du sagen«, fragte er, »wenn ich dir viel Gold gäbe und dich in die Länder, von denen ich soeben sprach, schickte, damit du deinen Beruf dort ausübtest und den Ruf der ägyptischen Heilkunst wie deiner eigenen Geschicklichkeit verbreitest, so daß die Vornehmen und Reichen jeder Stadt dich zu sich kommen ließen, und du in ihren Herzen lesen könntest. Vielleicht würden sogar Könige und Herrscher dich zu sich rufen, und dann könntest du auch in ihren Herzen lesen. Während du so deinen Beruf ausübtest, wären deine Augen meine Augen und deine Ohren meine Ohren, und du würdest dir alles, was du hörst und siehst, gut einprägen, um dann nach Ägypten
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