Sinuhe der Ägypter
zurückzukehren und mir Bericht darüber zu erstatten.«
»Ich gedenke nie mehr nach Ägypten zurückzukehren«, sagte ich. »Außerdem sprichst du von gefährlichen Dingen, und ich habe wahrlich keine Lust, in einer fremden Stadt mit dem Kopf nach unten an der Mauer zu baumeln.«
»Niemand kennt den morgigen Tag«, sagte er. »Aber ich glaube doch, daß du nach Ägypten zurückkehren wirst, denn wer einmal vom Wasser des Nil getrunken, kann seinen Durst mit keinem anderen Wasser stillen. Auch die Schwalben und die Kraniche kehren jeden Winter nach Ägypten zurück und fühlen sich in keinem anderen Lande heimisch. Deshalb ist deine Rede wie Fliegengesumm in meinen Ohren. Auch das Gold ist wie Staub unter meinen Füßen, und ich vertausche es gerne gegen Wissen. Überdies ist es barer Unsinn, was du über die Mauern sagst, denn ich ersuche dich ja nicht, etwas Schädliches oder Böses zu tun noch die Gesetze fremder Länder zu verletzen. Laden denn nicht alle großen Städte Reisende ein, ihre Tempel zu besuchen, und veranstalten vielerlei Feste und Vergnügungen, um Besucher anzulocken, die ihr Gold den Einwohnern der Stadt zurücklassen? In jedem Lande bist du willkommen, wenn du nur Gold mitbringst. Auch deine Heilkunst ist willkommen in Ländern, in denen, wie du weißt, die Greise mit der Axt totgeschlagen und die Kranken zum Sterben in die Wüste ausgesetzt werden. Die Könige sind stolz auf ihre Macht und lassen oft ihre Soldaten vorbeimarschieren, damit die Fremden sie sehen und vor ihnen wegen ihrer Macht Respekt bekommen. Und es liegt nichts Böses darin, wenn du schaust, wie die Soldaten marschieren und was für Waffen sie tragen, und wenn du die Zahl der Streitwagen zählst und dir merkst, ob sie groß und schwer oder klein und leicht sind und ob sie zwei oder drei Mann tragen, denn ich habe gehört, daß gewisse Kämpfer in der Schlacht außer dem Wagenlenker auch noch einen Schildträger bei sich haben. Auch ist es von Gewicht zu wissen, ob die Soldaten wohlgenährt sind und von Öl glänzen oder mager, voll Ungeziefer und mit Augenkrankheiten behaftet sind wie meine Ägypter. Ebenso wird erzählt, daß es den Hetitern gelungen sei, ein neues Metall aus dem Boden zu gewinnen, und daß eine daraus geschmiedete Waffe sogar in die Schneide der stärksten Kupferaxt eine Scharte zu hauen vermöge. Dieses Metall sei blau und werde Eisen genannt. Ob das der Wahrheit entspricht, weiß ich nicht, denn es wäre auch denkbar, daß sie nur eine neue Methode zur Härtung des Kupfers oder eine neue Mischung erfunden haben, und in diesem Fall möchte ich wissen, worin diese Methode besteht. Das wichtigste aber bleibt, zu erfahren, wie es in den Herzen der Herrscher und ihrer Ratgeber aussieht. – Sieh mich an, Sinuhe.«
Ich sah ihn an, und während ich ihn so betrachtete, wuchs er in meinen Augen, und in seinem Blick brannte eine düstere Glut, und er glich einem Gott. Da erbebte mein Herz, und ich verneigte mich vor ihm und streckte die Hände in Kniehöhe vor, und er fragte: »Glaubst du nicht, daß ich dir befehlen kann?«
»Mein Herz sagt mir, daß du mir befehlen kannst, doch weiß ich nicht, warum«, antwortete ich und fühlte meine Zunge vor Angst dick werden im Gaumen. »Auch mag es stimmen, daß du dazu auserkoren bist, vielen zu befehlen, wie du behauptest. Ich werde daher die Reise antreten, und meine Augen werden deine Augen und meine Ohren deine Ohren sein, aber ich weiß nicht, ob das, was ich sehen und hören werde, dir von Nutzen sein wird, denn in den Dingen, die du wissen willst, bin ich unerfahren und nur als Arzt den anderen überlegen. Doch will ich in allem mein Bestes tun, und zwar keineswegs für Gold, sondern weil du mein Freund bist und die Götter es offenbar so bestimmt haben, falls es überhaupt Götter gibt.«
Er sprach: »Ich glaube nicht, daß du es je bereuen wirst, mein Freund zu sein. Trotzdem aber gebe ich dir für alle Fälle Gold auf die Reise mit; denn so, wie ich die Menschen kenne, wirst du es nötig haben. Du brauchst auch nicht zu wissen, warum mir jene Kenntnisse, die ich zu sammeln wünsche, kostbarer sind als Gold. Eines kann ich dir noch sagen, nämlich daß die großen Pharaonen tüchtige Männer an die Höfe der anderen Reiche zu senden pflegten, daß aber die Gesandten des jetzigen Pharao Schafsköpfe sind, die nichts anderes wissen, als wie sie die Falten ihres Rockes und ihre Ehrenzeichen zu tragen haben und in welcher Reihenfolge ein jeder von ihnen rechts
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