Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)
Zusammenstellungen diktierte. Leichtfüßig tänzelte ich nach Hause, berauscht von der Aussicht auf all die Spielsachen, die sich hier in wenigen Tagen türmen würden. Spielsachen, die ich mir verdient hatte, weil meine Eltern sie mir so beharrlich verwehrten.
An meinem großen Tag hatte ich gleich nach der Schule eine Zimmer-Ecke freigeräumt, um Platz für die Bescherung zu machen. Kurz nach vier klingelte es zum ersten Mal. Ich riss die Tür so überschwänglich auf, dass meine Blusenschluppe nach hinten flog. Aber Melanie, in die ich meine größten Hoffnungen legte, hatte mir nicht einmal das ersehnte Barbie-Wohnmobil mitgebracht. Stattdessen überreichte sie mir eine Stickvorlage für einen Pferdekopf. Uta schenkte mir ein Stempelset, von Anastasia bekam ich eine Schachtel mit Weinbrandbohnen, und Iris hatte gar nichts dabei, denn sie hatte sich selbst eingeladen. Das Merkwürdige war: Statt enttäuscht zu sein, freute ich mich über jedes kleine Geschenk. Ich wäre nicht weniger glücklich gewesen, wenn meine Freundinnen mit leeren Händen gekommen wären.
Mama führte die Mädchen ins Wohnzimmer an den festlich gedeckten Tisch. Neben Tellern, von denen keiner wie der andere aussah, lagen Teelöffel und Servietten. Ich hielt kurz die Luft an, bange, ob sich gleich jemand über irgendwas lustig machen würde. Stattdessen stürmten meine Freundinnen lachend die neue Sofa-Ecke und machten sich über den Kuchen her. Bald kreischten und prusteten wir ausgelassen, und alle meine Sorgen, sie könnten an irgendetwas Anstoß nehmen, das bei ihnen anders war als bei uns, waren so bald weggeblasen wie die zehn Kerzen auf meiner Geburtstagstorte.
Da klingelte es wieder an der Tür.
»Das wird für dich sein«, sagte Mama. Ich sah sie verwundert an. Während ich über den Flur lief, sah ich mich schon Überraschungsgast Isa Ogórkowa begrüßen, doch als ich die Tür geöffnet hatte, blickte ich ungläubig in Patrizias grüne, von Korkenzieherlöckchen umrahmte, Katzenaugen.
»Deine Mutter hat mich eingeladen«, sagte sie gepresst und drückte mir ein sorgfältig verpacktes Geschenk in die Hand. Schnurstracks marschierte Patrizia an mir vorbei, schleuderte auf dem Weg die Riemchenschuhe von ihren Füßen und folgte dem Gelächter meiner Gäste ins Wohnzimmer. Ich stürmte sofort in die Küche, um meine Mutter zur Rede zu stellen.
»Natürlich habe ich Patrizia eingeladen«, fauchte sie, während sie mir mit einer Handbewegung befahl, die Tür zuzuziehen. »Als Frau Lindner mir heute im Supermarkt begegnet ist und rauskam, dass du sie gar nicht eingeladen hast, wäre ich vor Scham beinahe gestorben. Wie konntest du ausgerechnet Patrizia nicht einladen, nach allem, was ihre Eltern für dich getan haben?« Im Wissen, dass meine Mutter mich nicht verstehen könnte, zuckte ich nur mit den Schultern und blickte betroffen auf den Linoleum-Boden.
Als wir die Küche mit zwei puderzuckerweißen babkas verließen, zog Mama eine warnende Grimasse. Die Botschaft war eindeutig: Wehe, du sorgst nicht dafür, dass Patrizia sich willkommen fühlt.
Patrizia hatte zwischen Uta und Iris Platz genommen und sorgte mit ihrem abschätzig umherstreifenden Blick für gedrückte Stimmung. Mama schnitt die babka in Scheiben und legte jedem von uns ein Stück auf den Teller, bevor sie wieder in der Küche verschwand. Patrizia stierte auf ihren Teller wie auf ein überfahrenes Tier. Doch es war nicht der Kuchen, der sie aus dem Gleichgewicht brachte.
»Womit soll ich den bitte schön essen?«, fragte sie mit einer Spur von Empörung. Ich dachte, das war eine Scherzfrage, zeigte aber trotzdem auf das Löffelchen neben ihrem Teller.
»Hallo? Das ist ein Teelöffel. Ich soll meinen Kuchen mit einem Teelöffel essen?«
»Du kannst ihn auch mit der Hand essen«, sagte Uta und schob sich ein halbes Stück auf einmal in den Mund.
»Wer isst denn bitte schön Kuchen mit einem Teelöffel!?«, fragte Patrizia und blickte ungläubig von einer zur anderen, auf der Suche nach Bestätigung. Vergeblich.
»Wieso stellst du dich so an?«, fragte Uta.
»Äääääh«, sagte Patrizia, die Hand so entschlossen in die Hüfte stemmend, dass ihre Locken zu wackeln begannen, »weil man Kuchen vielleicht mit einer Kuchengabel isst!?«
Mama indessen, die von dem Kuchenbesteck-Streit nichts mitbekommen hatte, eierte um uns herum wie ein Brummkreisel. Mit der einen Hand servierte sie, mit der anderen räumte sie wieder ab.
»Was hat deine Mutter eigentlich
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