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Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Titel: Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Tobor
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Kleider«, verteidigte ich mich.
    »Ja, aber wir sind hier in Deutschland. Du bist die Erste aus Polen, die meine Mutter eingeladen hat«, sagte Patrizia kalt. »Ich muss sonst mit Türken spielen. Und dieser einen aus Griechenland, die in unsere Klasse geht, die war auch mal da.«
    »Anastasia?«
    »Wie auch immer.«
    Patrizia begann, zornig durch die Haare ihrer Barbie zu kämmen. »Was für Barbies hast du eigentlich zu Hause?«, fragte sie.
    »Keine«, antwortete ich schuldbewusst, als der Kopf von Frau Lindner im Türspalt erschien.
    »Na, ihr lieben Mädchen? Spielt ihr schön?«, trällerte sie.
    Wir nickten übertrieben mit den Köpfen, obwohl wir beide wussten, dass aus unserer Begegnung keine Freundschaft erblühen würde. Die kommenden Stunden zogen sich so quälend hin, dass ich froh war, als Frau Lindner wieder ins Zimmer kam, um uns ins Bett zu schicken. »Geht schon mal ins Bad«, sagte sie freundlich, »ich bereite Alexandra in der Zwischenzeit das Bett vor.«
    Das Badezimmer der Lindners war fast so groß wie die Badezimmer aus der Fernsehwerbung. Es gab gleich zwei funkelnde Waschbecken, die so riesig waren, dass ein kleines Kind darin ein Bad nehmen konnte. Während wir uns die Zähne putzten, ich mit einer normalen Zahnbürste, sie mit einer elektrischen, starrte Patrizia selbstverliebt in den Spiegel. Ich nutzte ihre Unaufmerksamkeit, um nach dem Ausspucken noch mal von der Blendi-Zahnpasta zu naschen.
    Als wir aus dem Bad kamen, lag neben ihrem Bett eine aufgeblasene Luftmatratze. Ich war gerührt. Bei uns war es selbstverständlich, dass der Gast das beste Bett im Haus bekam. Aber dass der Gastgeber selbst auf einer jämmerlichen Luftmatratze schlafen musste?
    »Ist das nicht unbequem für dich?«, fragte ich Patrizia.
    »Wieso für mich? Da schläfst doch du drauf«, stellte sie klar, bevor sie in ihr Prinzessinnen-Bett schlüpfte und in der Üppigkeit der Glücksbärchi-Bettwäsche verschwand.
    Nachts, als der Vollmond gespenstische Schatten auf die Zimmerwand warf, konnte ich kein Auge zutun. Die Matratze war eigentlich bequem, und ich fror auch nicht unter der unbezogenen Decke, aber ich fragte mich, was das alles zu bedeuten hatte. Dass es in diesem Zimmer Dinge gab, die ich nicht anfassen durfte. Dass Patrizia mir nichts zu trinken angeboten hatte. Steckte eine Botschaft dahinter, dass sie in ihrem fürstlich ausladenden Bett schnarchte und ich darunter auf dem nackten Teppich lag? Hatten meine Eltern die Lindners vielleicht falsch verstanden, und ich war hier von Anfang an nicht willkommen gewesen?
    Nachdem ich die ganze Nacht Schlüsse aus meinen Erlebnissen gezogen hatte, rechnete ich nicht mit mehr als einer trockenen Scheibe Brot, als Frau Lindner uns am nächsten Morgen an den Frühstückstisch rief.
    Aber wie falsch hatte ich mit meinen Befürchtungen gelegen! In der Küche roch es wie in der Bäckerei, und der Tisch war so reich gedeckt, dass ich mir vor Staunen die Augen rieb. Mehrere Körbchen waren mit allerlei Brötchen- und Brotsorten, Croissants und Brezeln gefüllt. Zum Trinken gab es Tee, Kaffee, Kakao und Milch, dazu standen gleich mehrere Säfte zur Auswahl. Herr Lindner, der im flauschigen Morgenmantel Zeitung las, war aufgestanden und schob galant einen Stuhl für mich zurück.
    »Greif nur zu, Alexandra«, ermunterte er mich, bevor er wieder hinter der Zeitung verschwand.
    Patrizias Mutter goss mir derweil Orangensaft ein. »Der ist frisch gepresst«, sagte sie gutmütig lächelnd. »Ich hoffe, du magst das.«
    »Fruchtfleisch. Einfach nur ekelhaft!«, fauchte Patrizia, die mit einer kleinen elektrischen Säge ihr Frühstücks-Ei köpfte.
    »Ich muss jetzt gehen«, sagte ich, als ich mein Marmeladen-Brötchen verschlungen hatte.
    »Jetzt schon? Das ist aber schade«, sagte Frau Lindner und stand auf, um mich zur Tür zu begleiten. »Komm aber gerne wieder zum Spielen vorbei. Vielleicht frühstücken wir ja bald wieder zusammen.«
    Auf dem Nachhauseweg fragte ich mich, ob ich wirklich mit den Lindners gefrühstückt hatte. Es kam mir eher vor, als hätten sie eigens für mich ein Frühstück inszeniert, und ich hatte nur daran teilgenommen – wie ein Schüler an einer anschaulichen Lektion.

26.
Der Geburtstag
    Als vor drei Monaten die Möbelpacker von OTTO mit meinem »Jugendzimmer« gekommen waren, wäre ich vor Stolz beinahe geplatzt. Bett, Bettkastenschrank, Schreibtisch und Kleiderschrank hingen zusammen, als wären sie ein einziges Möbelstück, und ich

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