Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
eine Bowlingkugel die Kegel.
Ich stand auf und rief: »Lena Duchannes, wenn du diese Stufen noch einmal gegen mich aufhetzt, werde ich dich höchstpersönlich beim Disziplinarausschuss verpfeifen.«
Ich trat auf die erste Stufe, dann auf die zweite. Nichts geschah. »Ich werde Mr Hollingsworth anrufen und aussagen, dass du gemeingefährlich und wahnsinnig bist.« Jetzt nahm ich zwei Stufen auf einmal, bis ich oben auf demTreppenabsatz stand. »Denn das bist du, wenn du das noch einmal mit mir machst, hörst du?«
Ihre Stimme in meinem Kopf war anfangs noch ganz leise.
Du verstehst gar nichts.
Ich weiß, dass du Angst hast, L, aber wenn du alle aussperrst, wird es auch nicht besser.
Geh weg.
Nein.
Ich meine es ernst, Ethan. Geh weg. Ich will nicht, dass dir etwas passiert.
Ich kann nicht.
Ich stand jetzt vor der Tür ihres Schlafzimmers, presste meineWange gegen das kalte helle Holz derWandtäfelung. Ich wollte bei ihr sein, ihr so nahe wie möglich sein, ohne wieder einen Herzanfall zu bekommen. Und wenn sie mich nicht näher als bis vor die Tür kommen ließ, dann reichte mir das, jedenfalls für den Augenblick.
Bist du da, Ethan?
Direkt vor deiner Tür.
Ich habe Angst.
Ich weiß, L.
Ich will nicht, dass dir etwas passiert.
Mir wird nichts passieren.
Ethan, ich möchte dich nicht verlassen.
Das wirst du nicht.
Und wenn doch?
Ich werde auf dich warten.
Sogar wenn ich auf die Dunkle Seite gehe?
Sogar wenn du auf die Allerdunkelste Seite gehst.
Sie machte die Tür auf und zog mich ins Zimmer. Musik dröhnte. Ich kannte den Song. Es war eine wildeVersion, fast Heavy Metal, aber es war der Song, ich erkannte ihn sofort.
Sixteen moons, sixteen years
Sixteen of your deepest fears
Sixteen times you dreamed my tears
Falling, falling through the years …
Sie sah aus, als hätte sie die Nacht durchgeweint.Wahrscheinlich hatte sie das auch. Als ich ihr übers Gesicht strich, merkte ich, dass es noch immer tränennass war. Ich nahm sie in die Arme, und wir wiegten uns, während die Musik weiterspielte:
Sixteen moons, sixteen years
Sound of thunder in your ears
Sixteen miles before she nears
Sixteen seeks what sixteen fears …
Als ich über ihre Schulter blickte, sah ich, dass ihr Zimmer einTrümmerhaufen war. Der Putz an den Wänden war rissig und bröckelte ab, ihr Kleiderschrank war umgestürzt, als wäre jemand eingebrochen. Die Fenster waren zersplittert; ohne Glas sahen die dünnen Metallrahmen aus wie die Gitterstäbe eines alten Burggefängnisses. Und die Gefangene klammerte sich an mich, während die Musik uns einhüllte.
Sixteen moons, sixteen years,
Sixteen times you dreamed my fears,
Sixteen will try to bind the spheres,
Sixteen screams but just one hears …
Als ich das letzte Mal hier gewesen war, war die Zimmerdecke mit Worten bedeckt gewesen, die Lenas geheimste Gedanken nach außen gekehrt hatten. Aber nun war jeder freie Fleck im Zimmer mit ihrer unverwechselbaren Handschrift bedeckt. Am Rand der Decke stand nun in schwarzer Farbe: Einsamkeit lässt den, den du liebst, nicht los / und du weißt, du hältst ihn vielleicht nie mehr in deinen Armen. An den Wänden: Sogar wenn ich in der Finsternis versunken bin / wird mein Herz dich finden. Am Türpfosten: Die Seele stirbt in der Hand dessen, der sie beschützt. Auf dem Spiegel: Wenn ich einen Ort wüsste, an den ich mich flüchten könnte / wo ich in Sicherheit geborgen wäre, heute noch wäre ich dort. Sogar der Kleiderschrank war mit Worten vollgeschrieben: Das finsterste Tageslicht findet mich hier, jene, die warten, sehen immer zu , und dort stand auch der eine Satz, der alles ausdrückte: Wie kann man vor sich selbst fliehen? In diesen Sätzen konnte ich ihre ganze Geschichte lesen und ich hörte sie auch in der Musik.
Sixteen moons, sixteen years,
The claiming moon, the hour nears,
In these pages Darkness clears,
Powers bind what fire sears …
Dann verebbten die Akkorde der E-Gitarre, und ich hörte eine neue Strophe, den Schluss des Liedes. Ich versuchte, dieTraumbilder von Erde, Feuer,Wasser und Wind aus meinen Gedanken zu verscheuchen, während ich lauschte:
Sixteenth Moon, Sixteenth Year,
Now has come the day you fear,
Claim or be claimed,
Shed blood, shed tear,
Moon or Sun – destroy, revere .
Die Gitarre verklang und wir standen in völliger Stille. »Was denkst du …«
Sie drückte mir einen Finger auf die Lippen. Sie konnte nicht darüber sprechen. Sie war so verletzlich, wie ich sie noch nie
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