Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
Mondes. Lena sah nicht aus wie die Leute in Jackson. Ich hatte noch niemanden kennengelernt, der so aussah wie sie.
Sie streifte sich den nassen R egenumhang über den Kopf. Ihr schwarzes T-Shirt und die Jeans klebten an ihrem Körper, als wäre sie in einen Swimmingpool gefallen.Von ihrer grauenWeste rann dasWasser auf das Sitzpolster.
»Sch-schau mich nicht so an.«
Ich drehte den Kopf, blickte nach vorn auf die Windschutzscheibe, sah überallhin, nur nicht zu ihr hin. »Du solltest das besser ausziehen. Sonst frierst du noch mehr.«
Ich sah, wie sie sich mit den zierlichen Silberknöpfen an ihrerWeste abmühte, sie konnte ihre zitternden Hände nicht ruhig halten. Ich streckte die Hand aus und sie erstarrte. Als ob ich es jemals gewagt hätte, sie zu berühren. »Ich drehe die Heizung höher.«
Sie machte sich wieder an ihren Knöpfen zu schaffen. »D-danke.«
Ich sah ihre Hände – sie hatte wieder etwas mit Tinte darauf gekritzelt, aber jetzt war es vom R egen verschmiert. Ich konnte ein paar Ziffern erkennen. Vielleicht eine Eins oder auch eine Sieben, eine Fünf, eine Zwei. 152.Was hatte das zu bedeuten?
Ich drehte mich um und suchte auf dem R ücksitz die alte Armeedecke, die Link sonst immer dort liegen hatte. Stattdessen war da ein zerfledderter Schlafsack, wahrscheinlich lag er dort, seit Link das letzte Mal zu Hause Ärger bekommen hatte und im Auto übernachten musste. Er roch nach abgestandenem Lagerfeuerrauch und nach Moder. Ich gab ihn ihr.
»Ahh … schon besser.« Sie schloss die Augen. Ich spürte es geradezu, wie gut ihr der warme Luftstrom der Heizung tat; die Anspannung fiel von mir ab und ich sah sie einfach nur an. Ihr Zähneklappern ließ nach. Schweigend fuhren wir weiter. Nur der Sturm war zu hören und das R o llen der Räder, dieWasserfontänen aus dem See aufspritzen ließen, in den sich die Straße inzwischen verwandelt hatte. Sie malte mit den Fingern Linien auf die beschlagenen Fenster. Ich bemühte mich, die Straße nicht aus den Augen zu lassen, und versuchte, mich an meinenTraum zu erinnern, an eine Kleinigkeit, an irgendetwas, mit dem ich ihr, ich weiß nicht was, beweisen könnte, vielleicht dass sie und ich es waren, die in demTraum vorkamen.
Aber je angestrengter ich es versuchte, umso mehr schien sich derTraum aufzulösen, zu verschwinden zwischen R egen und Straße und den zahllosenTabakfeldern, auf denen uralte Farmmaschinen und zerfallende Scheunen standen. Wir fuhren durch die Stadtrandsiedlung und vor uns sah ich dieWeggabelung.Wenn man nach links abbog, wo unser Haus lag, kam man zum Santee River, an dessen Ufer sich die restaurierten Häuser aus derVorkriegszeit reihten. Es war auch die Straße, die aus der Stadt hinausführte. Als wir an die Stelle kamen, wollte ich aus Gewohnheit nach links abbiegen. R echts lag nur die Ravenwood-Plantage und dort fuhr niemals jemand hin.
»Nein, warte. Fahr nach rechts«, sagte sie.
»Ach ja.Tut mir leid«, sagte ich rasch, aber ich fühlte mich nicht wohl dabei. Wir fuhren eine Anhöhe hinauf, nach Ravenwood Manor, dem großen, herrschaftlichen Haus. Ich hatte so angestrengt darüber nachgedacht, was für ein Mädchen sie war, dass ich darüber völlig vergessen hatte, wer sie war. Sie war das Mädchen, von dem ich seit Monaten träumte, das Mädchen, an das ich jede Sekunde denken musste, aber sie war auch die Nichte des alten Ravenwood. Und ich fuhr sie nach Hause, in das Spukhaus – so nannten es alle.
So hatte auch ich es stets genannt.
Sie starrte auf ihre Hände. Ich war nicht der Einzige, der wusste, dass sie im Spukhaus wohnte. Ich fragte mich, was sie sich wohl alles in der Aula hatte anhören müssen, ob sie wusste, was alle über sie sagten. Ihre gequälte Miene verriet, dass sie es wusste. Keine Ahnung, warum, aber ich konnte es nicht ertragen, sie so zu sehen. Ich wollte etwas sagen, um das Schweigen zu beenden. »Warum bist du zu deinem Onkel gezogen? Sonst versuchen alle Leute, aus Gatlin wegzukommen, keiner will hierherziehen.«
Ich hörte förmlich ihre Erleichterung. »Ich habe überall gelebt. New Orleans, Savannah, auf den Florida Keys, ein paar Monate in Virginia. Sogar auf Barbados habe ich eine Zeit lang gewohnt.«
Mir fiel auf, dass sie mir keine Antwort auf meine Frage gegeben hatte, aber ich musste unwillkürlich daran denken, was ich darum gäbe, an einem dieser Orte zu leben, und wäre es auch nur einen Sommer lang. »Und wo wohnen deine Eltern?«
»Sie sind tot.«
Meine Brust krampfte
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