Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
erfreut aus. »Hab ich dir gezeigt, was er mir geschenkt hat?«
»Du weißt selbst, dass du das noch nicht getan hast.«
Amy sah sich geheimnistuerisch um – völlig unnötigerweise, denn sie waren ganz allein auf dem Innenhof. Sie knöpfte ihren Staubschutz auf, steckte die Hand darunter und zog eine lange silberne Kette hervor. Ein herzförmiges Medaillon hing daran, aus dem ein paar mausbraune Haare hervorlugten. »Ist das nicht schön?«, flüsterte sie ehrfürchtig.
Mary dachte sich ihren Teil über herzförmige Medaillons mit Haar darin, doch sie lächelte. »Sehr anrührend. Es sieht ja so aus, als ob es zwischen dir und deinem Mr Jones ernst ist.«
»Meinst du?«, fragte Amy mit eifrigem Stolz. »Ich auch, aber manchmal kann ich kaum glauben, dass es wirklich wahr ist. Hör mal, morgen ist Valentinstag. Ich möchte eine von den großen schönen Valentinskarten – du weißt schon, mit echtem Leder und Federn –, und nicht nur das.«
»Triffst du Mr Jones morgen Abend?«
Amy zog die Brauen zusammen. »Ich hab Mrs Shaw gefragt, ob ich eine Stunde freihaben kann – um meine Mutter zu besuchen, hab ich behauptet –, aber sie will mir erst morgen Bescheid geben. Ich glaube, sie ahnt was.«
Mary lächelte leicht. »Ich nehme mal an, dass jeder am Valentinstag sein Mutter besuchen will.«
»Na ja, wir werden sehen. Es ist nicht alles verloren, auch wenn sie mir nicht freigibt.« Amy nickte und zwinkerte verschmitzt.
»Wie meinst du das? Hast du rausgefunden, wie du nachts rausschlüpfen kannst?«
Doch Amy lächelte nur und zwinkerte wieder.
»Hör mal«, sagte Mary, denn der Zeitpunkt war gut, um der Unterhaltung eine etwas andere Richtung zu geben, »wenn du den Tag über etwas Zeit brauchst, musst du es nur sagen. Ich könnte für dich in den Salons abstauben und so.« Amy war verantwortlich dafür, den Blauen Salon zu putzen – aus dem die Porzellanfiguren verschwunden wa ren . Bisher waren Mary tagsüber nur flüchtige Bli cke möglich gewesen und bei ihren nächtlichen Untersuchungen war es dunkel. Eine ausgedehnte Putzrunde im Gaslicht könnte neue Erkenntnisse bringen.
Amys Augen leuchteten. »Du bist ja lieb. Ich muss dir gestehen, dass ich mir für morgen große Hoffnungen mache …«
»Ebenso wie ich, mein Liebling«, säuselte eine neue Stimme. Männlich. Geschmeidig. Gebildet. Und vertraut. Mary und Amy fuhren bei der Unterbrechung beide zusammen, auch wenn sie unterschiedlich reagierten. Amy quietschte, griff nach ihrer Haube und riss sich den hässlichen Staubschutz so schnell herunter, wie es ihre zitternden Hände erlaubten. Mary verstummte hingegen. Dann drehte sie sich langsam nach der Stimme um. Dort stand Amys Mr Jones und grinste spöttisch: ein Mann von mittlerer Größe mit grünen Augen, weder dick noch dünn, weder gut aussehend noch hässlich. Er trug einen schlecht gebügeltenAnzug. Eigentlich konnte nichts an ihm Freudenschreie oder verblüfftes Schweigen auslösen, und doch war es so.
Mary hatte Octavius Jones, einen Revolverblatt-Journalisten und unverbesserlichen Wichtigtuer, kennengelernt, als sie an dem Fall beim St. Stephen’s Turm gearbeitet hatte. Zugegeben, am Ende war er ihr eine kleine Hilfe gewesen. Aber er war auch der Einzige, der ihre Verkleidung als zwölfjähriger »Mark Quinn« durchschaut hatte, und wenn sie sich nicht gewaltig täuschte, würde er auch jetzt wieder darauf herumreiten. Jones war ein schamloser Lügner, der nicht mal davor zurückschrecken würde, seine Mutter für einen Profit von zwei Pennys zu verkaufen und sich später damit zu brüsten. Unnötig, hinzuzufügen, dass er zudem der Letzte war, den sie in einem Fall wie diesem gebrauchen konnte.
Als er Mary sah, verzog sich sein Gesicht vor Überraschung – wenn auch nur für einen Moment.
»Tavvy!« Amy machte einen Satz auf ihn zu und bedeckte sein Gesicht mit einer Reihe von begeisterten Küssen. »Ich hab dich noch lange nicht erwartet!«
Bei dem Kosenamen zuckte er zusammen, fasste sich jedoch schnell. »Ich hab’s nicht erwarten können, dich zu sehen, Liebes.« »Tavvy« nahm Amys Zuwendungen ungefähr so wie ein Mann hin, der von einem außer sich geratenen Welpen abgeschleckt wurde. Dabei war sein Blick die ganze Zeit auf Mary gerichtet.
»Was du für süße Sachen sagst!«, gurrte Amy.
»Liebling, möchtest du mich nicht deiner kleinen Freundin vorstellen?«
Amys Stimme bebte vor Stolz, als sie sagte: »Mary, das ist Mr Octavius Jones; Mr
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