Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
»Diesen Eindruck wollte ich keinesfalls hervorrufen. Durch mein Verhalten, meine ich.« Ihre Wangen erröteten beim Gedanken daran. Wenn James diese Dinge nicht gesagt hätte, wo hätte alles geendet? Womöglich würden sie sich immer noch auf seinem Schreibtisch umfangen halten.
Er sah sie mit gerunzelter Stirn an und bemühtesich eindeutig zu verstehen, was sie meinte. »Ich höre.«
Sie fing an. Brach ab. Versuchte es erneut. »Ich bin gekommen, um dich um eine berufliche Gefälligkeit zu bitten. Soviel ich gehört habe, steht ihr kurz davor, einige der alten Abwasserrohre im Buckingham-Palast zu erneuern.«
Er stieß ein erstauntes Lachen aus. »Es handelt sich ja schließlich nur um ein streng geheimes Projekt, das die Sicherheit der königlichen Familie betrifft; klar, dass du bereits Bescheid weißt.«
Sie lächelte leicht. »Herzlichen Glückwunsch; du musst wirklich stolz sein.«
»Sind wir auch; danke.« Seine dunklen Augen blickten immer noch verständnislos, aber auch neugierig drein.
Jetzt kam der kniffeligste Teil. »Seit ein paar Wochen arbeite ich als Hausmädchen im Palast; und ich werde mindestens noch eine Woche dort sein. Möglicherweise länger.«
Er nickte und schien allmählich zu begreifen.
»Es besteht die Möglichkeit, dass sich unsere Wege im Palast zufällig kreuzen. Das ist zwar unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, mit welcher Geheimhaltung ihr bei eurer Arbeit vorgehen müsst, aber möglich ist es doch. Und ich wollte dich bitten …« Ihre Stimme bebte plötzlich. Das hier war zwar bei Weitem nicht der größte und verrückteste Gefallen, um den sie James je gebeten hatte. Und doch war es der schwierigste. »Ich wollte dich bitten, ob du mirhilfst, mein Geheimnis zu bewahren. Nicht aktiv, natürlich. Aber ich muss sicher sein können, dass du mich nicht …«
»Dass ich dich nicht verrate?« Seine Stimme klang sauer. Offensichtlich hatte er eine andere Art von Gefallen erwartet.
»Ich hätte ein anderes Wort gewählt.«
»Aber das hast du gemeint. Du hast Angst gehabt, dass ich dir entweder aus Dusseligkeit oder aus Wut darüber, ein verschmähter Liebhaber zu sein, dein Spiel im Buckingham-Palast vermassele.«
Seine Gereiztheit erschreckte sie; stachelte ihren eigenen verdrängten Ärger an. »Wenn du schon von Verschmähung redest: Es war ja wohl eher andersrum«, entgegnete sie. »Ich war nicht rein genug, um deinen hohen moralischen Prinzipien zu genügen. Auch wenn du deine Ansprüche scheinbar ein bisschen runtergeschraubt hast – aber ich nehme an, das war nur aus physischer Leidenschaft.« Kaum hatte sie das gesagt, bedauerte sie die Worte.
James’ Augen wurden dunkel – ein sicheres Anzeichen, dass er wütend war. »Stell dich nicht dumm. Ich empfinde mehr als nur physische Leidenschaft, das weißt du genau.«
Mary unterdrückte ihre eigene Wut; sie konnte es sich nicht leisten, davon abgelenkt zu werden. »Wenn du meinst«, sagte sie mit eisiger Höflichkeit. »Aber ich kann zurzeit keine Ergebenheitsbekundungen und Entschuldigungen brauchen.«
»Aha.«
»Meinst du, dass du im Palast so tun kannst, als ob du mich nicht kennst?«
Ein kleiner Muskel in seiner Wange zuckte. »Selbstverständlich. Es würde mir nicht im Traum einfallen, dir Steine in den Weg zu legen.«
»Danke. Das kommt mir sehr entgegen.« Sie knöpfte ihren Mantel zu – wobei sie sich überhaupt nicht erinnern konnte, ihn aufgeknöpft zu haben – und setzte sich ihren Hut auf. Es war ihr egal, ob er richtig saß.
In ausgesprochen höflichem Ton sagte James dann: »Darf ich dir anbieten, meine Kutsche zu benutzen? Es ist kein angenehmer Tag für einen Spaziergang.«
Ach, wie sie diesen Ton bei anderen hasste. »Sehr freundlich von dir, aber ich finde mühelos eine Droschke.« Und bei solchen gesellschaftlichen Floskeln wurde ihr immer schlecht. Lieber überhaupt nicht mit James reden als auf diese Weise.
»Wie du wünschst.« Er vermied es, sie anzusehen, und hielt ihr die Tür des Arbeitszimmers auf – ein Gentleman von Kopf bis Fuß. »Auf Wiedersehen, Miss Quinn.«
Der winterliche Schneeregen war ein Schock nach dem warmen Arbeitszimmer von James. Mary stapfte in südlicher Richtung und fröstelte, als sie von einem Windstoß erfasst wurde, der ihr den stechenden Regen ins Gesicht trieb. Natürlich war weit und breit keine Droschke zu sehen. Und in ihrer Wut hatte sie den Schirm in James’ Diele stehen lassen. Vielleicht lag es an der Kälte, aber plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher