Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
war sie entsetzt darüber,wie kindisch sie sich getrennt hatten. Sie und James waren immer voller Leidenschaft bei der Sache gewesen – sowohl als Rivalen wie auch als Partner. So unversöhnt mussten sie doch nicht auseinandergehen. Sie würden nie einfach Freunde sein, aber sie konnte zumindest versuchen, ihre wütenden Vorwürfe zurückzunehmen. Auf der Hälfte von Torrington Place machte sie kehrt und nahm erneut allen Mut zusammen.
Mary klopfte und überging die hochgezogenen Augenbrauen von Mrs Vine. »Ist er im Salon?«
»Ja, aber –«
»Sie müssen mich nicht hinbringen.« Mary huschte hinein und war schon die halbe Treppe hinaufgegangen, ehe Mrs Vine weiterreden konnte.
Sie klopfte zweimal an der Salontür und stürmte hinein. »James, ich muss mich entschuldigen. Ich war –«
Die Worte erstarben ihr im Mund, als sie die Szene vor ihren Augen erblickte: eine äußerst hübsche junge Dame um die zwanzig mit glänzenden rotblonden Locken. Sie trug ein Seidenkleid, das mehr gekostet hatte als Marys gesamte Garderobe. Die junge Dame saß in völlig entspannter Stellung auf dem Boden und neckte ein kleines Kätzchen mit einer Feder. Ein zweiter Herr mit den gleichen rotblonden Haaren wie die Dame fläzte sich in einen Sessel. Und James hockte mit dem Rücken zur Tür auf dem Boden neben der jungen Dame. Alle drei waren von ihrem Eindringen sehr überrascht.
Nach einem anhaltenden, ungemütlichen Moment erhoben sich die beiden Herren. James’ Ausdruck war unergründlich, der andere sah verwundert aus. Die junge Dame jedoch blieb sitzen und starrte Mary unverhohlen an.
»Oh – ich bitte um Verzeihung«, murmelte Mary. Ihr ganzer Mut, ihre vernünftigen Beweggründe lösten sich angesichts der erschrockenen blauen Augen der jungen Dame in Luft auf. »Mein Fehler.« Sie schloss die Salontür und stürzte die Treppe hinunter. Sie nahm keine Notiz von Mrs Vines süffisantem Ausdruck. Nahm auch keine Notiz von James, der ihr etwas nachrief. Sie rannte hinaus auf die Straße, wobei sie ihren Schirm erneut vergaß. Diesmal hatte sie jedoch Glück: Eine freie Droschke fuhr vorbei.
Einen Moment später war sie unterwegs zum Palast. Zehn Minuten, um in aller Stille zu weinen.
Und von nun an würde sie keine Träne mehr um James vergießen.
Sieben
Montag, 13. Februar
Buckingham-Palast
A my Tranter brauchte für ihre Morgentoilette so lang, dass sie zu spät zur Andacht kam – ein schwerwiegendes Vergehen unter dem Regime von Mrs Shaw. Zur Strafe wurde sie zusammen mit Mary hinausgeschickt, um Teppiche zu klopfen. In Marys Augen war das ein Glücksfall – auch wenn die Luft bei Weitem nicht frisch war, war es doch angenehm, draußen zu sein und Ruhe vor dem ständigen Lärm im Dienstbotenbereich zu haben. Doch Amys rundes, hübsches Gesicht war umwölkt und mürrisch, als sie ihre Holzpantinen holte. Erst als sie im Hof bei dem großen Perserteppich ankamen, der über der Teppichstange hing, erfuhr Mary, warum.
»Guckt mein Haar raus?«, fragte Amy und berührte das bisschen Gesicht, das zu sehen war. Ihr restlicher Kopf war unter einer riesigen Haube verborgen, die sie über die Ohren und die Augenbrauen gezogen hatte.
»Nur deine Wimpern.«
»Und mein Kleid?« Auch das Kleid steckte untereiner Schutzhülle, die vom Kragen bis zu den Knöcheln reichte. Zusammen mit den Pantinen – klotzige Holzdinger, die sie über ihre Stiefel gezogen hatte, damit die im Matsch nicht dreckig wurden – sah Amy wie ein Heißluftballon aus, der gerade abheben wollte.
»Komplett versteckt«, sagte Mary.
Amy war immer noch nicht zufrieden. »Die normale Arbeit ist ja schon schmutzig genug, aber das hier ist schrecklich. In zwei Minuten bin ich grau vom Staub.«
»Bis zum Mittagessen sind wir fertig, dann kannst du dich doch waschen.« Etwas an Amys Blick ließ Mary zögern. »Oder … hast du was anderes vor?«
Amy wurde rot und winkte Mary auf ihre Seite des Teppichs. »Ich kann dir doch vertrauen, nicht?«
»Aber sicher.«
»Ich erwarte … jemanden … einen Besucher.«
»Hier?« Die Disziplin im Palast war streng, und obwohl Briefe und Päckchen jederzeit durchgingen, durften die Angestellten keinesfalls Besucher empfangen.
»Aber es ist noch nicht ganz sicher.«
Aha. »Mr Jones?«
Amy wurde wieder rot und wand sich. »Möglich.«
»Ach komm schon«, sagte Mary neckend. »Du redest doch über niemand anders.«
»Das stimmt nicht!«, quiekte Amy, aber sie sah dennoch
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