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Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3

Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3

Titel: Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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erst hundertfünfzig Jahre alt   – praktisch neu, verglichen mit anderen Palästen und Schlössern. Daher war das Vorhandensein eines altmodischen Geheimgangs   – wie in Zeiten der religiösen Verfolgungen noch nötig   – eigentlich unmöglich. Und doch stand Mary hier im Herbarium mutterseelenallein.
    Nach vorsichtigem Tasten fand Mary das Fach, das Honoria so fasziniert, sowie den blau-weißen Krug, den sie untersucht hatte. Er war ein einfacher irdener Krug, der in einem so vornehmen Haushalt wie diesem vielleicht zum Zubereiten, niemals jedoch zum Auftragen benutzt worden wäre. Ohne besseres Licht konnte Mary das Motiv nicht erkennen, aber bestimmt war es nicht der Krug gewesen, der das schnappende Klicken verursacht hatte. Der Krug war nur ein Zeichen, um den Ort zu markieren. Sie nahm ihn vorsichtig aus dem Fach und merkte sich seine Position genau. Sie musste davon ausgehen, dass alles eine Falle sein konnte. Das Regalbrett war aus rohem Holz und etwas staubig   – wieder eine mögliche Falle, stellte Mary fest, denn dadurch konnte man jede Berührung erkennen. Doch Honoria hatte das Brett ja bereits angefasst. Das Risiko war daher nicht so groß.
    Sie tastete vorsichtig herum, ohne zu wissen, wonach sie suchte. Doch als ihre Fingerspitzen auf etwas Kantiges und Metallisches stießen, lächelte sie. Ein Schnappriegel, gut verborgen am Rand des Brettes angebracht. Ihrer Erfahrung nach wies das auf eine einfache Türkonstruktion hin   – keine, die ein Expertenteam verblüffen würde, aber immerhin eine Geheimtür.
    Vorsichtig drückte sie gegen das Brett. Nichts.
    Aber als sie stattdessen daran zog, merkte sie gleich, dass es nachgab. Es war nur eine winzige Verschiebung, ein halber Zentimeter vielleicht, aber es bewegte sich. Marys Puls, der schon schnell gegangen war, beschleunigte sich so heftig, dass sie das Pochen bis in die Fingerspitzen und in der Kehle fühlte. Eine Geheimtür im Buckingham-Palast! Und Honoria Dalrymple war gerade dahinter verschwunden. Sie unterdrückte das wilde Verlangen, die Verfolgung sofort aufzunehmen. Nicht jetzt, solange sie keinen Hinweis hatte und nicht mal eine Kerze. Mary stellte den blau-weißen Krug vorsichtig zurück, machte kehrt und verließ die Küche.

Elf
    F ünf Minuten später war sie richtig ausgestattet: ohne Mantel und in Schuhen mit leisen Sohlen, mit einer Kerze, einer Schachtel Streichhölzer und ihrem Haarnadel-Dietrich. Als sie die Dienstbotentreppe mit noch größerer Vorsicht als üblich erneut hinunterstieg, schlug eine Uhr in der Ferne Mitternacht. Es war ja noch früh, sagte sie sich und war bemüht, ihre Gefühle angesichts des bevorstehenden Abenteuers in den Griff zu bekommen. Es war gut möglich, dass Honoria einige Zeit hinter der Geheimtür stehen bleiben würde. Sie konnte nicht einfach blindlings eindringen. Sie musste improvisieren. Das gehörte allerdings zu den Dingen, die sie besonders liebte, und daher ließ sie sich, einem Geistesblitz folgend, am anderen Ende der Küche nahe der Speisekammer nieder, um zu warten.
    Es war eine nur allzu vertraute Situation, in der Hocke im Dunklen zu sitzen. Sie hatte zahllose Stunden beim »Beobachtungstraining« der Agentur damit zugebracht. Dabei hatte sie gelernt, ihr Zeitgefühlauch ohne den Blick auf den Himmel zu behalten; aufmerksam zu bleiben; zu verhindern, dass ihr Arme und Beine einschliefen. Oberflächlich gesehen war es eine einfache Sache, die sie sich jedoch hart hatte antrainieren müssen.
    Heute Nacht hatte sie keine Probleme damit. Stattdessen beging sie einen neuen, ganz erstaunlichen Fehler: Sie hing einem Tagtraum nach. Das war ihr noch nie passiert und so etwas war ihr normalerweise völlig fremd. Sie hatte nie verstanden, wie man sich in spannungsgeladenen Situationen so ablenken lassen konnte. Doch an diesem Abend war Mary in Gedanken viele Meilen und viele Jahre weit weg und verlor sich in Erinnerungen an Limehouse und ihren Vater. Als sie plötzlich das Scharren der Geheimtür hörte, war es schon zu spät. Sie erschrak und machte alles noch schlimmer, indem sie die Luft einzog.
    Es folgte ein zweites Keuchen, wie ein lauteres Echo ihres eigenen. Dann Honorias Stimme: »Wer ist da?«
    Mary war sofort hellwach und wütend auf sich selbst. Es blieb ihr nichts übrig, als absolut bewegungslos und stumm zu verharren.
    »Ich weiß, dass jemand da ist«, sagte Honoria nach einer Pause. Tapfere Worte, wenn ihre Stimme auch höher und dünner als sonst klang.
    Marys

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