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Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3

Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3

Titel: Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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Wahl. Die erste Möglichkeit war, das dumme, unartige Hausmädchen zu spielen, das sich nach Einbruch der Dunkelheit hinauswagte, umeinen heimlichen Brief einzuwerfen. Der Erfolg hing jedoch vom Wesen des Soldaten in dem Wachhäuschen ab. Wenn er nachsichtig war, ließ er sie vielleicht davonkommen. Aber wenn er nun pflichtbewusst war? Schlimmer, wenn er Bestechungsgeld für sein Schweigen verlangte?
    Das Risiko war zu groß. Sie machte sich in westlicher Richtung zum Park auf, fort von den großen Eingangstoren. Im Vorhof klatschten dicke Regentropfen auf ihre Haube und fielen kalt auf ihre Wangen. In der Dunkelheit, dem Nebel und dem steten Schneeregen war es schwierig, etwas zu erkennen. Die großen Schatten in einigem Abstand waren eindeutig die Weißdornbüsche, ungefähr doppelt mannshoch. Sie hatte beobachtet, wie die jungen Prinzen und Prinzessinnen davor spielten und eine Lücke als eine Art Höhle benutzten. Mary wusste, dass die Büsche bis an den Eisenzaun reichten, der das Palastgelände umgab.
    Die Nacht war zermürbend geräuschlos. In den Prachtstraßen jenseits des Palastes nichts als Stille   – nicht mal das Rattern eines Müllwagens. Kein Mensch in der Nähe. Keiner, der sie schreien hören würde.
    Ein leichtes Rascheln in dem Dickicht ließ sie aufschrecken. Sie starrte abwartend in das Dunkel. Nichts mehr. Vielleicht ein Windstoß oder ein Vogel. Sie wollte nicht weiter spekulieren. Unbeirrt bewegte sie sich voran, immer auf der Hut   – wenn sie auch nicht wusste, vor was. Als sie die Lücke im Gebüsch erreichte, blieb sie stehen und lauschte wieder.Nichts. War es möglich, dass sie sich das erste Rascheln nur eingebildet hatte? Nervös genug war sie. Nach drei Minuten Wartezeit drang sie jedoch weiter vor. Die Zweige waren lang und verschlungen, und obwohl sie ihr Gesicht mit einer Hand schützen konnte, verfingen sich die Dornen in ihrer Haube, ihren Ärmeln und ihren Röcken. Sie würde schlimm aussehen, wenn sie zurückkam. Langsam und geduldig kämpfte sie sich weiter. Die spitzen Dornen machten es immerhin unwahrscheinlich, dass ein Mensch in der Hecke lauerte.
    Der schmiedeeiserne Zaun war überraschend niedrig, ungefähr anderthalb mal so hoch wie ein Mann. Diese Feststellung rief Mary die Geschichte des Palastes wieder in den Kopf: ein herrschaftliches Anwesen, ein Lustschloss, jedoch keine Staatsresidenz. Kein Wunder, dass sich Verrückte ab und zu Einlass verschaffen konnten. Von so einem nur von Hecken geschützten Zaun konnte man kaum erwarten, dass er Eindringlinge abhielt. In Taillenhöhe fand Mary Halt für ihren Fuß, zog sich mit den Armen hoch und glitt vorsichtig über die eisernen Zaunspitzen. Sie hoffte nur, dass sich ihre Röcke nicht verfangen würden. Als sie auf der anderen Seite hinuntersprang, war sie nicht mal außer Atem. Das Weißdorngebüsch war schwieriger gewesen. Von hier waren es nur etwa hundert Meter zum nächsten Briefkasten. Dann wieder zurück über den Zaun. In zehn Minuten würde sie im Bett liegen.
    Ein zweites Mal kämpfte sie sich durch die dornigenRanken. Sie verfluchte die kleinen Spitzen, die sich so hartnäckig in ihren Kleidern festhakten. Erhitzt von ihrem kleinen Abenteuer trat sie heraus. Dann sah sie über den Park zum Palast, zu den gelben Lichtern, die ihr aus dem einen oder anderen Fenster zublinzelten, und plötzlich war ihr kalt. Sämtliche Gefühle, die sie so lange unterdrückt hatte, sprudelten hoch und ließen sie taumeln. Es kam fast wie ein körperlicher Schlag: Sie war nicht einfach allein, sie war einsam.
    Allein zu sein, war natürlich nichts Neues. Aber jetzt war sie aus anderen Gründen einsam. Sie war einsam trotz der Aussicht auf Familie   – vielleicht gerade deswegen. Weil sie nun doch nicht mehr ganz auf sich allein gestellt war, was sie womöglich vorgezogen hätte. Sie griff sich an die Kehle und berührte die beruhigende Wölbung des Anhängers. Er störte sie auf einmal. Nicht im wörtlichen Sinn, denn der Anhänger war klein und wog fast nichts. Doch jedes Mal, wenn sie ihn berührte oder die Kette am Hals entlanggleiten spürte, fröstelte sie und versuchte, nicht an den Mann zu denken, der vielleicht ihr Vater war.
    Natürlich hatte sie erwogen, die Kette nicht zu tragen. Oder sie in den Fluss zu werfen. Es stand in ihrer Macht, das letzte Verbindungsglied zu ihrer Vergangenheit einfach zu kappen. Doch irgendwie schaffte sie das nicht. Zu viel Angst, um der Wahrheit ins Auge zu sehen. Zu viel Angst, sie

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