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Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3

Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3

Titel: Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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ihrer Angespanntheit konnte Mary ein Lächeln nicht unterdrücken. Der Dünkel war also keine Pose, um die Königin zu beeindrucken. Sogar ein unbedeutendes Steinquadrat konnte ihren hochmütigen Unwillen erregen. Honoria blieb vor einer Nische stehen, die Mary das Herbarium nannte   – nicht dass sonst jemand vom Personal so einen hochtrabenden Ausdruck benutzt hätte. Es war ein kleiner Raum zwischen den riesigen Steinöfen, in denen die gesamten Backwaren des Palastes hergestellt wurden. Am Ende des Sommers hängten die Küchenmädchen hier große Bündel von Thymian, Rosmarin, Salbei und Estragon an der Decke auf, die in der Hitze der benachbarten Öfen trockneten. Dann wurden sie für den Winter in dunkle Schrankfächer gepackt. Jetzt war der kleine Raum leer, roch jedoch noch leicht nach den Kräutern.
    Honoria hielt ihre Kerze hoch und suchte   – nicht argwöhnisch, sondern ernsthaft forschend. Die obere Hälfte der Wände war mit offenen Regalbrettern versehen, auf denen weniger häufig benutzte Utensilien standen wie Backformen und besonders große Schüsseln. Darunter waren Fächer, in denen sich wahrscheinlich die getrockneten Kräuter und andere Dinge befanden. Mit ihren großen, eleganten Händen tastete sie die Bretter ab und spähte in die Fächer, als suche sie nach genau der richtigen Backform. Es war ein sehr seltsamer Anblick.
    Honoria suchte methodisch von links nach rechts, von oben nach unten. Als sie bei einem kleinen Fach in dem dunkelsten Winkel angekommen war, hielt sie inne, und ihr plötzliches Verharren war so klar wie eine Ansage. Sie nahm einen kleinen Krug heraus   – ein weiß glasiertes Steingutgefäß mit einem blauen Motiv   –, hielt die Kerze höher und spähte genauer in das Fach, wo das Gefäß gestanden hatte. Der Kerzendocht war lang und erzeugte eine hohe, helle Flamme, die ihr Gesicht deutlich beleuchtete. Mary stellte überrascht fest, dass Honoria Dalrymple eine gut aussehende Frau war   – zumindest, wenn ihre Züge vor Aufregung und Erwartung leuchteten, so wie jetzt. Was immer sie gesucht hatte, lag wohl dicht vor ihr. Sie lächelte zufrieden.
    Mary trat behutsam drei Schritte zurück hinter den nächsten Mauervorsprung und machte sich darauf gefasst, rasch verschwinden zu müssen. Sobald Honoria ihre Beute hatte, würde sie so schnell wie möglich zurückgehen, und Mary wollte ihr keinesfalls im Weg stehen. Diese Vorsichtsmaßnahme war mit dem Nachteil verbunden, dass sie nicht sehen konnte, was Honoria machte. Sie hörte ein deutliches Klicken, dann ein leises Scharren, als ob etwas Schweres über die Steinplatten gezogen würde.
    Honoria machte zwei hörbare Schritte, dann zog sie plötzlich scharf die Luft ein. Mary wappnete sich dafür, entweder davonzueilen oder ihr entgegenzutreten. Dann erklang wieder das Scharren und abschließend das metallische Schnappen. Ungeduldigspitzte Mary die Ohren, um mehr mitzubekommen. Doch die Sekunden verstrichen und sie hörte nichts weiter. Kaum zu glauben, aber aus den Küchenräumen drang nicht ein Laut. Die perfekte Stille wurde nur unterbrochen von Mäusen, die in den hintersten Winkeln herumhuschten. Mary wartete zehn Sekunden, dann weitere zehn. Das konnte eine Falle sein. Wenn Honoria den Verdacht hatte, beobachtet zu werden, war das die klassische Methode, einen übereifrigen Verfolger zu stellen. Erst nach fünf Minuten fühlte sich Mary sicher genug, wieder hervorzukommen, ganz langsam und bereit, jeden Augenblick wieder in Bewegungslosigkeit zu erstarren. Sie holte lautlos Luft und spähte um die Ecke, um das Unmögliche zu entdecken.
    Honoria Dalrymple war fort.
    ***
    Mary blinzelte verdutzt und mochte ihren Sinnen kaum trauen. Honoria war eine große Frau   – sie konnte nicht einfach in einem Küchenfach verschwinden. Doch das Herbarium war leer. Es gab nur eine logische Erklärung, die Mary zögernd ins Auge fasste. Sie wusste natürlich Bescheid über Geheimtüren   – es gab ja schließlich eine im Dachboden der Agentur, die sie unglaublich beeindruckt hatte, als sie angeworben worden war. Doch hier kam ihr diese Erklärung etwas weit hergeholt vor.
    In herrschaftlichen Häusern aus dem sechzehntenund siebzehnten Jahrhundert war es nicht ungewöhnlich, »Priesterlöcher« zu haben   – speziell eingebaute Verstecke, um katholische Priester zu verbergen. Doch der Buckingham-Palast war noch nicht so alt, und Königin Victoria war die erste Monarchin, die hier residierte. Selbst diese Küche war

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