Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
Ohne zu erröten. »Ich bezweifle sehr, dass unsere Auffas sung von Zusammenarbeit übereinstimmt.« Sie schob seine Hände weg und klopfte sich übertrieben die Ärmel ab. »Und jetzt sollten Sie wohl Ihre Verabredung einhalten.«
Was James den »Betriebseingang« nannte, war nichts weiter als ein Einstiegloch in einen Kanalisationsschacht in einer verlassenen Seitenstraße einen knappen Kilometer vom Palast entfernt – etwas, das man kaum mit einem königlichen Bauprojekt in Verbindung brachte. Und doch war er genau richtig für etwas, das so geheim gehalten werden musste. Mary hätte bestimmt geglaubt, am falschen Ort zu sein, wenn sie nicht James’ Kutsche gesehen hätte, die ihr unliebsam vertraut war. Sie stand ungefähr zehn Meter weiter.
Als sich Mary näherte, drehte der Mann, der auf dem Kutschbock hockte, das Gesicht nach ihr um. Sie wurde rot. Das letzte Mal, als sie James’ altgedienten Kutscher, Barker, gesehen hatte, war sie in einer sehr unvorteilhaften Situation gewesen – ausgestreckt auf dem Boden des St. Stephen’s Turm, als Junge verkleidet, in einer Umarmung mit James. Nicht, dass sie Letzteres bedauerte. Wenn sie allerdings noch Reste von Vernunft besaß, durfte so etwas nie wieder passieren.
»’n Abend«, sagte sie und nickte Barker zu.
Er nickte leicht zurück. Seine Züge blieben unbewegt, schienen aber leicht zu erstarren, als er sie erkannte.
Die Kutschentür flog auf und James sprang heraus. Er sah sie einen Moment an, öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Schließlich sagte er: »Du kommst zu spät.«
»Ich kann nicht beliebig kommen und gehen«, erklärtesie möglichst geduldig. »Ich muss warten, bis alle in ihren Kammern sind, ehe ich davonschleichen kann. Und guten Abend übrigens.«
»Ach so – guten Abend.«
Sie legte eine Hand an die Kutsche. »Ich möchte nicht deine Zeit verschwenden. Sollen wir anfangen?«
Er sah sie verwundert an. »In der Kutsche?«
»Es ist wärmer und bequemer, um zu reden, als im Nieselregen«, erklärte sie und unterdrückte ein Lächeln. »Was hast du denn gedacht?«
Selbst in der nebeligen Nacht konnte man sehen, wie er errötete. »Äh – komm, ich helfe dir.«
Drinnen saßen sie sich auf den Bänken gegenüber, verlegen wie ein unschuldiges Paar in der Hochzeitsnacht. James wirkte zumindest so.
»Danke, dass du mich treffen konntest«, sagte Mary. »Ich war nicht sicher, ob du meinen Brief überhaupt lesen würdest nach unserer letzten Begegnung.«
Eine kleine Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. »Wir sind schon öfter aneinandergeraten und haben es immer geschafft, wieder klarzukommen.«
Sie lächelte. »Stimmt. Aber ich will nicht über uns reden; ich möchte über Abwasserschächte reden.«
Das hatte er eindeutig nicht erwartet, trotz ihrer Nachricht. Doch nach einem Augenblick zog er eine Braue hoch. »Du willst was wissen.«
»Und was mitteilen.«
»Das ich wissen sollte, meinst du«, sagte er gelangweilt.
»Genau.« Sie unterbrach sich. »Davon gehe ich aus, weil jemand einen Tunnel unter dem Palast benutzt, der zu diesen Kanälen führt.«
Das rüttelte ihn auf und sein gespielter Gleichmut war dahin. »Woher weißt du überhaupt, wo ich arbeite?«
»Gestern Abend war ich in einem merkwürdigen kleinen Raum am Ende der Abwasserkanäle. Da habe ich dein Schild mit der Warnung gesehen.«
»Die Warnung ist nicht ohne Grund da, verstehst du? Der ganze Bereich ist nämlich in baufälligem Zustand. Was zum Teufel hast du da unten zu suchen gehabt?«
»Ich bin jemandem gefolgt. Und ich war nicht lange unten.« Mary wartete darauf, dass er schimpfte und sie für ihre Sorglosigkeit schalt. Sie bei den Schultern packte. Auf alles, womit sie ihr Spielchen von Anziehung und Abstoßung wiederaufnehmen würden.
Stattdessen runzelte er die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust. »Weißt du, Mary, etwas bereitet mir Sorge.« Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an und erforschte ihr Gesicht, als sei es ihm unbekannt. »Überall, wo du auftauchst, gibt es Ärger. Die Geschichte mit den Thorolds in Chelsea. Die Diebstähle auf der Baustelle von Big Ben. Und jetzt schon wieder.«
Mary öffnete die Fäuste und versuchte regelmäßig zu atmen. »Was willst du damit sagen?« Das hätte sieschon lange kommen sehen müssen: James war zu intelligent, um ihre List mit der journalistischen Arbeit lange zu glauben.
»Mary.« Seine Stimme war abwartend, neutral. »Ich glaube, du solltest mir was
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