Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
weiteres Vorgehen nicht einschätzen, ohne zu wissen, was die Optionen sind.«
»Ich habe keinen Plan, den ich aus der Hand geben kann.«
So leicht ließ sie sich nicht abwimmeln. »Könntest du ihn eine halbe Stunde ausborgen? Ich mache eine Kopie.«
»Vielleicht …«
Ha, wie sie diesen Mann in solchen Augenblicken hasste. Ein bisschen zumindest. Sie verschränkte die Arme und stemmte die Füße mit einem heftigen Stoß gegen die gegenüberliegende Bank. »Dann lass mich es doch wissen, sobald du eine so komplizierte Frage lange genug erwogen hast.«
James sah ihre Stiefel verwundert an, dann schien er ein Lächeln zu unterdrücken. »Zur Abwechslung mal Damenstiefel.«
»Ich kann ja schlecht zu meiner weiblichen Tracht Männerstiefel tragen.«
»Fehlen dir die Jungshosen?«
»Manchmal. Sie sind wahnsinnig praktisch.«
»Sehr merkwürdig, dich in Dienstmädchentracht zu sehen.«
»Lenk nicht ab.«
»Es ist keine leichte Entscheidung.«
Sie stieß unwillig die Luft aus. »So ein Blödsinn! Du bist doch sonst immer so schnell entschlossen!«
Er seufzte theatralisch auf. »Komplimente sind immer noch nicht dein Ding. Weißt du nicht, Mary, man sollte das unvergleichliche Urteilsvermögen eines Mannes preisen, statt sich über seine Qualitäten lustig zu machen.«
Sie war erstaunt, denn sie hatte erwartet, dass er kalt und brüsk reagieren würde, nicht so entspannt und ironisch. Aber wenn er geneigt war … »Wenn ich dir also Komplimente machen würde –«
»Und zwar großzügig.«
»Na gut. Wenn ich dich in den Himmel loben würde, dann bekomme ich eine Kopie von dem Plan?«
»Versuch’s doch mal.«
»Jetzt willst du mich nur auf den Arm nehmen.« Sie stand auf und klopfte ihre Röcke ab. »Ich hoffe, dass die Informationen, die ich dir gegeben habe, nützlich für dich sind, James. Gute Nacht.«
Sie wollte gerade die Kutschentür öffnen, da legte sich seine Hand über ihre und zog die Tür wieder zu. »Warte einen Moment«, sagte er ganz leise.
Sie erstarrte und das verräterische Rot überzog wieder ihre Wangen. Selbst durch ihre Handschuhe wusste sie, wie sich seine Berührung auf ihrer Haut anfühlen würde. »Ich habe doch gewartet«, sagte sie. Ihre Worte sollten eigentlich herablassend klingen, sie kamen stattdessen bebend hervor.
»Ich stehe schließlich in deiner Schuld.«
»Tust du nicht.« Sie konnte ihn nicht ansehen.
»Du hast ein Geschäft vorgeschlagen, aber ich habe bisher nur etwas empfangen.«
»Dann ist diese Information eben ein Geschenk«, sagte sie. Wieder klang sie eher atemlos als beiläufig. »Lass mich los, James.«
Er ließ ihre Hand los.
Sie rührte sich nicht.
»Ich habe die Pläne nicht dabei.«
»Macht nichts.« Sie war inzwischen ziemlich verzweifelt.
»Aber ich führe dich durch die Kanäle.«
Sie sah ihn verblüfft an. Doch in seinen dunklen Augen lag kein Spott. »W-wann?«
»Jetzt gleich, wenn du Zeit hast.«
Sie konnte den Blick nicht abwenden. Versuchte, ungezwungen zu klingen, was ihr nicht recht gelang. »Du hast schon immer gewusst, wie man ein Mädchen bezirzt …«
»Ich habe sogar spezielles Ölzeug mit. Dem kann einfach keiner widerstehen.«
Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie suchte nach einem Grund, warum sie keine Zeit mehr für ihnhaben könnte. Sie wollte einen Plan, keine persönliche Führung.
»Ich dachte, du brauchst Informationen.«
»Genau. Aber ein Plan würde genügen.«
»Ich kann dir mehr Wissen vermitteln als so ein Plan. Komm schon, Mary – Feigheit steht dir nicht.«
»Das ist nicht Feigheit, das ist gesunder Menschenverstand.«
Er zuckte die Schultern. »Na gut, das ist mein letztes Angebot: eine Tour durch das Abwassersystem heute Nacht. Nimm an oder lass es bleiben.«
Sie starrte ihn wütend an und ergriff die Türklinke mit erneuter Entschlossenheit. »Was soll das? Für dich ist meine Gesellschaft doch bestimmt genauso wenig angenehm wie deine für mich.«
Er hielt ihrem Blick stand. Ein lässiges Grinsen spielte um seine Mundwinkel. »Ich glaube kaum, dass es jemals um ›angenehm‹ ging.« Er berührte ihren Handrücken und sie erzitterte, sosehr sie sich dagegen wehrte. Sein Grinsen wurde breiter. »Ich hol das Ölzeug.«
»Ich warte draußen.«
»Wie du willst.«
Sechzehn
E s musste wohl kalt sein draußen. Draußen war es ständig kalt. Aber ausnahmsweise spürte sie nichts. Während Mary die kleine gepflasterte Straße auf und ab ging, zählte sie in Gedanken die Gründe auf,
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