Skandal um Lady Amelie
Notleidende erwähnt hatte, musste er sich wohl auf ihre positiven Auftritte beschränkt und die nicht ganz gesellschaftskonformen eher verschwiegen haben.
Am Abend vor der bedeutungsträchtigen Dinnergesellschaft führte Nicholas seine Liebste durch Richmond spazieren. Es dunkelte schon, und der Laternenanzünder machte mit Leiter und Fackel seine Runde; die Wiese in der Mitte des Ortes lag verlassen da, und nur ein einsamer Kärrner lenkte sein Pferd dem heimatlichen Stall zu.
„Wohin gehen wir?“, fragte Amelie, als sie in die Paradise Road einbogen. „Warum so geheimnisvoll?“
„Setz dich doch ein Weilchen“, sagte Nicholas.
„Wie? Hier auf die Kirchhofmauer? Warum das?“
„Weil das hier die Stelle ist, die dem Paradies am nächsten liegt. Das Paradies ist nicht mehr zugänglich – so wurde einst der Garten des alten Klosters so genannt“, erklärte er, während er mit einer umfassenden Armbewegung auf die Kapelle und die Umrisse einiger Grabsteine wies. „Es tut mir leid, ganz so romantisch, wie du glaubst, bin ich nicht, nur verlangt es scheint’s die Familientradition, dass ein Antrag dem Paradies so nahe wie möglich erfolgen muss, Liebste. Sind wir nah genug? Was meinst du?“
„Nah genug für einen Heiratsantrag, Geliebter? Soll es gleich hier sein?“
Er nickte, setzte sich neben sie und kramte in seiner Tasche. „Da ist er ja! Meinst du, er passt?“
„Äh … Mylord? Auf mehr Romantik kann ich nicht hoffen?“
„Also … nein! Oder ja, doch ich zögere, in meinen besten Beinkleidern hier auf dem schmutzigen Pflaster niederzuknien“, klagte er. „Ich tu’s, wenn du darauf bestehst … ich habe keine Übung, es ist mein erstes Mal.“
„Das vernehme ich mit Entzücken. Wenn du es denn wissen willst, nur unter dieser Bedingung würde ich dich erhören. Ich möchte keinen schon einmal gebrauchten Antrag. Also, wenn es um den Antrag ging, deine Mätresse zu sein, gut, das war hinzunehmen, der war nicht gebraucht, der war überstrapaziert …“
„Weib, wirst du schweigen und mir ein Wort gestatten? Guter Gott, was denn noch? Und wo war ich stehen geblieben?“
„Bei dem Antrag?“
„Was?“
„Hör auf, mich zu necken. Was hast du da?“
„Hier, in der Hand? Wie soll ich das wissen? Das Licht ist so schlecht.“
„Dann lass mich sehen. Oh … oh, Nick! Wie wunderschön!“
„Was ist es denn?“
„Ein Ring, du Dummkopf!“
„Heißt das ja?“ Ehe sie antworten konnte, umschlang er sie, und erst nach geraumer Zeit hatten sie sich so weit gefasst, dass sie sich erinnerten, wo sie die Verhandlungen unterbrochen hatten.
An ihn geschmiegt, hob Amelie eine Hand und betrachtete bewundernd den herrlichen, von blitzenden Diamanten eingefassten Feueropal. „Danke, Nick“, flüsterte sie, „und da du schon fragst: Ja, ich will dich heiraten.“
„Nur wegen des Ringes, nicht wahr? Und wegen meines schicken Phaeton.“
„Hmm, schon zwei gute Gründe. Dann wäre da noch der Landsitz … dein edler Name … ah, deine Liebeskünste, sie sind nicht zu verachten. Und dann …“
„Es reicht, Weib! Sag mir den wahren Grund.“
„Ein gewisser Zustand? Wäre das genehm?“
„Amelie!“ Er starrte sie hingerissen an.
Sie nickte. „Es ist noch ein wenig früh, aber ich bin mir ziemlich sicher.“
Plötzlich ernst geworden, umarmte er sie abermals, drückte sie wortlos an sich, als wollte er sie nie wieder loslassen, und wiegte sie sanft. Endlich stammelte er: „Mein Liebling … mein Herzblatt … meine Schönste … mein angebetetes Weib … Ich bin der glücklichste Mann unter der Sonne.“
„Mein Mann“, hauchte sie, „mein geliebter Mann.“
Verliebt oder nicht, es entsprach nicht ganz dem guten Ton, dicht aneinanergeschmiegt die Paradise Road mit ihren hochherrschaftlichen Häusern entlangzuschlendern, doch das hinderte diese beiden nicht. Jeder Gedanke an Schicklichkeit war in diesem Augenblick vergessen; sie schritten ganz ineinander verloren einer von Liebe erfüllten Zukunft entgegen.
EPILOG
Jedermann sagte später, dass die Dinnergesellschaft, die der Marquis und die Marchioness of Sheen für ihre Söhne gaben, eine unglaublich prächtige Angelegenheit war. Die Verlobung Lord Nicholas Elyots mit Lady Chester wurde verkündet, und anschließend übergab der Bräutigam seinem Bruder ein Geschenk – vier prachtvolle Rösser, die Seton in der kommenden Woche mitnehmen würde, wenn er sich seinem Regiment anschloss. Nur die beiden Brüder kannten den
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