Skandal um Lady Amelie
sähe, uns im zweiten Teil auszuhelfen. Was glauben Sie? Oder bitte ich um das Unmögliche? Ich weiß, dass sie es kann. Nur ein Solo und das Duett mit mir, und vielleicht eine Zugabe? Wäre sie wohl geneigt …?“
Man winkte Caterina herbei und fragte sie. „Signore“, entgegnete sie, „ich fühle mich geehrt, nur – kenne ich die Stücke?“
„Wählen Sie, was Sie singen möchten, das Orchester wird damit zurechtkommen. Und sehen Sie, das Duett hatten wir bei mir daheim schon einmal gesungen, hier gibt es nur den Applaus noch obendrein. Niemandem sonst würde ich das zutrauen.“
Mutig ergriff Caterina die Gelegenheit beim Schopf. „Ja, ich wage es. Ich weiß, ich werde es schaffen“, sagte sie.
„Liebes, du musst dich nicht verpflichtet fühlen“, flüsterte Amelie ihr zu.
„Glaubst du, ich werde mir diese Chance entgehen lassen?“, antwortete sie. „Sind wir nicht aus diesem Grund nach Bath gereist? Und jetzt wird sogar mein Papa zuhören. Gehen wir, Signore.“
Dass der Maestro einen Ersatz gefunden hatte, machte schnell die Runde, und die Zuhörer nahmen ihre Plätze wieder ein. Jedermann reckte den Hals, als Caterina auf das Podium geführt und vorgestellt wurde. Zögernd klang höflicher Beifall auf, und hier und da murmelte jemand, dass sie natürlich umwerfend aussehe; ob sie es jedoch mit der berühmten Mrs. D’Oliveira aufnehmen könnte …?
Als dann der erste schwebende Ton aufflog, zart und doch klar, ging ein Ruck durch das Publikum, alles lauschte gebannt der jungen Göttin, die so frei und selbstbewusst dort oben stand und alle in ihren Bann schlug mit ihrer reinen, vollen, ungekünstelten Stimme, ihrer Ausdruckskraft, den feinen Nuancierungen, der Tiefe der Empfindungen. Selbst die Musiker staunten, denn sie hatten gedacht, sie wäre für eine solch bitter-schmerzliche Liebesarie viel zu jung und unerfahren.
Nur wenige Zuhörer wussten, dass sie hier ihre eigenen Empfindungen ausdrückte, dass sie vom Lieben und Entsagen, von Schmerz und neuer Hoffnung sang. Als der letzte Ton verklang, herrschte einen Augenblick tiefe Stille, bis Caterina sich regte. Den Blick auf Lord Seton geheftet, neigte sie leicht den Kopf.
Man musste ihm zugestehen, dass er als Erster aufsprang, ihr eine Kusshand zuwarf und zu applaudieren begann, und das gesamte Publikum fiel mit brausendem Applaus ein.
Anmutig nahm sie den Beifall entgegen. Das folgende Duett mit dem Maestro erntete nicht weniger Zustimmung, doch wohlweislich beließ Caterina es dabei und lehnte bescheiden eine Zugabe ab, mit der Begründung, dass das Programm fortgesetzt werden müsse.
Als sie später mit Amelie allein war, vertraute sie ihr an, dass es ebenso erhebend wie tröstlich gewesen sei, ihre Gefühle öffentlich im Gesang auszudrücken, und dass auch Liebeskummer seinen Sinn hätte, wenn er ihr helfe, Liebeslieder richtig interpretieren zu können.
10. KAPITEL
Aus mehreren Gründen ergab sich die Notwendigkeit, eher als geplant nach Richmond zurückzukehren. Caterina wünschte sich, ihren Vater heim nach Buxton zu begleiten, Nick und Seton wollten ihre Eltern in Sheen Court nicht länger warten lassen, die schon die Abreise ihres jüngeren Sohnes zu seinem Regiment vorbereiteten und außerdem endlich die Verlobung ihres älteren Sohnes zu feiern wünschten. Einzig Adorna war nicht sehr begeistert, die Freiheit, die sie in Bath genoss, hinter sich zu lassen, doch die Pflichten gegenüber der Familie gingen natürlich vor, und Familienfeiern waren sehr nach ihrem Geschmack.
Also genossen sie alle die letzten Tage, indem sie sich noch einmal sämtlichen Vergnügungen hingaben, die Bath zu bieten hatte.
Am Abend vor der Abreise besuchten sie den großen Ball in den neuen Gesellschaftsräumen des Kurhauses, und zu diesem Anlass hatten Lise und Millie noch einmal alle Hände voll zu tun, Amelie und Caterina mit höchster Eleganz auszustatten. Als Tante und Nichte dann in ihren duftigen Roben aus Seide, Spitze und – für Caterina – Musselin den Ballsaal betraten, stachen sie alle anderen Damen aus. Dieses Mal galt Lord Setons Bewunderung nicht nur der Tante, wie damals im Juweliergeschäft, sondern auch der reizenden Nichte.
Hochgestimmt, da all ihre Sorgen sich in nichts aufgelöst hatten, gab Amelie sich selig Nicholas’ Gesellschaft hin, und als er sie in den riesigen, vornehm ausgestatteten Ballsaal mit den korinthischen Säulen und dem gleißenden Kerzenlicht führte, hätte nichts ihre glühende Freude dämpfen
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