Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute
Premiere. Trotz des großen Publikumserfolgs und einer positiven Presseresonanz geriet der Film daraufhin erneut ins Visier der Zensur. Am 24. Juni unterrichtete der Leiter der Kulturabteilung des ZK die Parteiführung von seiner zwiespältigen Einschätzung des Films. Trotz gewisser parteischädlicher Tendenzen hielt er seine weitere Aufführung für vertretbar. Am 28. Juni kam das Thema auf einer Sitzung des Politbüros zur Sprache. Am 29. Juni beriet das Sekretariat des ZK über den Film und beschloss, ihn spätestens eine Woche nach Kinostart wieder aus dem Programm zu nehmen. Die Werbung wurde reduziert, Plakate wurden überklebt, und nur im Neuen Deutschland durfte noch eine Rezension zum Film veröffentlicht werden. Außerdem wurde die Teilnahme am Festival in Karlovy Vary abgesagt und dem Film nun doch kein Prädikat verliehen. Regisseur Beyer und den Schauspielern wurde nahegelegt, nicht zu den Premieren zu erscheinen, woran sich diese allerdings nicht hielten. Den ErstenSekretären der SED-Bezirksleitungen wurde empfohlen, dem missliebigen Streifen andere publikumswirksame Filme entgegenzustellen. Zumindest indirekt wurden die Bezirksleitungen außerdem dazu aufgefordert, Proteste gegen die Filmvorführungen zu organisieren, indem vieldeutig darauf hingewiesen wurde, dass der Film «bestimmt vom Publikum nicht unkritisch aufgenommen» 3 werde.
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Frank Beyer
(26.5.1932–1.10.2006)
Der im thüringischen Städtchen Nobitz geborene Frank Beyer beginnt unmittelbar nach seinem Abitur eine vielversprechende Laufbahn als Regisseur und Dramaturg in der noch jungen DDR. Als Jungkünstler und SED-Mitglied wird er von der Partei und deren Kulturverantwortlichen gefördert und unterstützt. An der Prager Filmhochschule FAMU belegt er das Fach Regie, schließt sein Studium 1957 mit seinem Spielfilmdebüt Z WEI M ÜTTER ab. Anschließend dreht er mehrere Filme für die DEFA. Besonders seine antifaschistischen Kriegsfilme finden große Beachtung. Für die Verfilmung von Bruno Apitz’ Roman N ACKT UNTER W ÖLFEN erhält er 1963 den Nationalpreis der DDR 1. Klasse für Kunst und Literatur. Nach dem verordneten Skandal um S PUR DER S TEINE und dem Verbot des Films muss Beyer die DEFA-Studios verlassen. Von 1967 bis ’69 arbeitet er am Staatstheater in Dresden. Ab 1968 inszeniert er mehrere Filme für das DDR-Fernsehen, ehe er 1974 mit J AKOB DER L ÜGNER den ersten Kinofilm seit zehn Jahren drehen darf. Die Verfilmung des tragikomischen Romans von Jurek Becker wird ein internationaler Erfolg. Auf der Berlinale 1975 erhält der Film den Silbernen Bären. Zwei Jahre später, 1977, wird er als erste und einzige DEFA-Produktion für den Auslands-Oscar nominiert. Doch schon 1976 eckt Beyer erneut bei der SED-Führung an, weil er einen Aufruf gegen Wolf Biermanns Zwangsausbürgerung unterschreibt. Sein Film D AS V ERSTECK wird 1977 verboten, da Manfred Krug, der im selben Jahr in die BRD ausreist, darin die Hauptrolle spielt. Bei seinem Fernsehfilm G ESCHLOSSENE G ESELLSCHAFT (1978) muss Beyer erneut massive Einschränkungen hinnehmen. Der Film wird mit starken Schnittauflagen versehen und nur im Nachtprogramm ausgestrahlt. Im April 1980 wird Beyer aus der SED ausgeschlossen. In der DDR erhält er zunächst keine weiteren Aufträge, dafür aber eine Arbeitserlaubnis für die BRD. 1982 inszeniert er dann wieder für die DEFA den Antikriegsfilm D ER A UFENTHALT nach dem gleichnamigen Roman von Hermann Kant. Der Film ist für die Berlinale vorgesehen, wird von der DDR-Regierung aber zurückgezogen, nachdem Vorwürfe einer anti-polnischen Haltung laut wurden. Nach der Wende inszeniert Beyer zahlreiche Fernsehfilme; unter anderem den dokumentarischen Spielfilm A BGEHAUEN (1998) nach den Memoiren Manfred Krugs.
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Tatsächlich kam es, wie von der Parteiführung gewünscht, in mehreren Bezirken zu inszenierten Skandalen. Organisierte Protestler aus der FDJ, von Jugend- und Parteischulen störten die Filmvorstellungen. Auf der Premiere im Berliner Kino «International» am 30. Juni 1966, bei der auch Frank Beyer und Manfred Krug anwesend waren, machten die Protestler ihrer verordneten Empörung lautstark Luft. «Ins Gefängnis mit dem Regisseur!», «Krug in die Produktion!», «Unsere Parteisekretäre schlafen nicht mit fremden Frauen!» 4 , «Schluss mit dem Theater!» oder «Hier wird unsere Partei beleidigt!» 5 lauteten die Parolen. Während der Film in Berlin trotz dieser Proteste bis zum Ende gezeigt wurde, musste die
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