Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute
Vorstellung in Leipzig am 1. Juli 1966 abgebrochen werden. Beim Westernaufmarsch der Balla-Brigade schrieen die Störer: «Das sind nicht unsere Arbeiter!». «Geh endlich arbeiten, du Schwein», legten sie Manfred Krug nahe. Und als der Volkspolizist einmal mehr im Teich landete, riet man in Leipzig wie zuvor schon in Berlin: «den Regisseur einsperren!» 6
Für die Partei bot der bestellte Skandal den gewünschten Anlass, um den Film bereits wenige Tage nach Kinostart wieder abzusetzen und zu verbieten. Frank Beyer, selbst SED-Mitglied, warf man vor, die beanstandeten Mängel des Filmes nicht beseitigt und sich nicht von der parteifeindlichen Aussage seines Filmes distanziert zu haben. Er wurde aus den DEFA-Studio entlassen und landete am Theater in Dresden. Einer der wenigen, die sich auch nach dem Skandal noch für Beyer und seinen Film einsetzten, war der Regisseur und damalige Präsident der Akademie der Künste Konrad Wolf. Noch am 17. August 1966 notierte er handschriftlich: «Acht Filme werden nicht das Lichte der Leinwand erblicken (S PUR DER S TEINE – auf den wir größte Hoffnungen gesetzt haben). Wir stehen vor der größten Katastrophe unseres Spielfilmschaffens.» 7 Schließlich jedoch gab er dem Druck von außen nach und erklärte am 20. September in einem Brief an die DEFA, die Entscheidung zu S PUR DER S TEINE anzuerkennen. 8
Erst 23 Jahre nach seinem Verbot konnte S PUR DER S TEINE im Herbst 1989, kurz nach dem Mauerfall, in der DDR wieder öffentlich aufgeführt werden. Am 23. November feierte er in Berlin seine zweite Premiere;auch diesmal unter den Augen der SED. Statt Schmährufen und Hetztiraden erntete er diesmal aber Beifall von der Parteiführung um den frisch gewählten SED-Generalsekretär Egon Krenz. 9 Für einen kulturellen Wandel aber war es jetzt zu spät. Niemand war mehr bereit, den Volkspolizisten aus dem Teich zu ziehen.
«Nie im Traum hätte ich das gedacht» – Frank Beyer erinnert sich
«Ich schrieb nach dem [11.] Plenum einen Brief an den Studiodirektor, in dem ich angesichts der neuen Erfahrungen um Zeit bat, meinen eigenen Film noch einmal zu überprüfen. Was im Klartext nichts anderes meinte, als S PUR DER S TEINE aus dieser hysterischen Atmosphäre herauszuhalten. Es gab ja immer politische Wellenbewegungen, und man wusste, dass sich die Dinge auch wieder beruhigen. […‚
Die Reaktionen
«Der Film erfasst nicht das Ethos, die politisch-moralische Kraft der Partei der Arbeiterklasse und der Idee des Sozialismus, bringt dafür aber Szenen auf die Leinwand, die bei den Zuschauern mit Recht Empörung auslösten. So werden schauspielerische Leistungen entwertet durch eine falsche Konzeption, deren Folge ein misslungener Film ist.»
Unter dem Pseudonym Hans Konrad – H. K. waren die Initialen des damaligen ND-Hauskritikers Horst Knietzsch – am 6. Juli 1966 im Neuen Deutschland erschienene Filmkritik
«Es kam nämlich ein Telegramm vom damaligen DEFA-Generaldirektor, ich möge der Premiere auf der Karl-Marx-Allee freundlichst fernbleiben. Da kündigte sich also eine verabredete Riesen-Sauerei an. Es ging dann so weiter, dass Publikum ins Kino kam, mit dem der Protest, der spontane Protest gegen den Film eingeübt worden war. Parteischule oder Kampfgruppe in Zivil, solche Leute. So wurde der Film aufwändig bebuht und aus den Kinos geholt. Da kam mir zum ersten Mal der Gedanke, ich könnte im falschen Team spielen.»
Manfred Krug im Gespräch mit Henry Goldberg, Filmspiegel, Nr. 25, 1989
«Von der Absetzung des Films erfuhr ich im Krankenhaus, aber ich kannte ja die Vorgabe. Die bestand ja bereits bei der Premiere. Der Film sollte acht Tage laufen. [Klaus] Gysi hat Frank Beyer gesagt, dass die Premiere eigentlich ausfallen sollte, was nun aber nicht ginge. Aber er forderte Frank auf, nicht hinzugehen und auf Manfred Krug und die anderen Mitarbeiter einzuwirken, ebenfalls fernzubleiben. Das hat Frank abgelehnt. Alle sind da gewesen. Ich habe mir Urlaub aus dem Krankenhaus geben lassen.
Man ging ja nun absolut vorbereitet hin. Dass da irgendwas passieren würde, war abzusehen. Allerdings was nun eigentlich – darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich muss sagen, ich war herzmäßig ziemlich hektisch aufgeladen. Man hatte dann diesen verkrampften Sarkasmus beim Begrüßen, auch Krug war sehr laut, so betont aufgeräumt. Es waren ja Himmel und Menschen da, man begrüßte sich im Parkett über die Reihen. Mein Fahrer war auch da, und schon ganz früh begann
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