Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute
man neben ihm, Krawall zu machen. In seiner Naivität hielt er die Leute für Provokateure aus dem Westen. Und Rolf Römer (DDR Schauspieler; ebenfalls wegen mancher Filme auf dem Kieker der SED) hat auch irgendwem Prügel angeboten, wenn der nicht sofort aufhört. Die sind in der Berliner Premiere schließlich nicht zum Zuge gekommen. Die versuchten es dann später noch einmal, aber es war nicht die Mehrheit. In Leipzig dagegen ist der Film nach einer Viertelstunde abgebrochen worden. Während er bei [Horst] Sindermann in Halle absolut störungsfrei eine Woche lang lief. – In Berlin, in diesem aufgeheizten pogromartigen Klima, hat sich die Hektik erst einmal verstärkt. Aber als dann Ruhe einkehrte, habe ich den Film eigentlich zunehmend als Bestätigung gesehen.
Nach der Premiere haben wir mit Koni Wolf und Angel Wagenstein im Berolina-Keller zusammengesessen, und Wagenstein sagte zu Koni: ‹Jetzt gibt es nur noch eins: auf den Alex gehen und sich selbst verbrennen.› Und in der darauffolgenden Nacht habe ich an Studiodirektor [Franz] Bruk geschrieben und endgültig um Ablösung aus der Leitungsfunktion gebeten. – Aber auch das war falsch, denn man hatte zu warten, bis man abberufen oder herausgeschmissen wurde.»
Klaus Wischnewski, damaliger Chefdramaturg der DEFA-Studios für Spielfilme
Es gab Beratungen und Versammlungen, eine große Unsicherheit brach aus. Niemand wusste, ob die Filme, die neben den beiden ‹Sündenböcken› [Kurt Maetzigs D AS K ANINCHEN BIN ICH und Frank Vogels D ENK BLOSS NICHT, ICH HEULE ] gerade abgedreht oder in Produktion waren, den Forderungen der Parteiführung entsprechen würden. Man sichtete die Rohschnitte, und ein Projekt nach dem anderen verschwand plötzlich im Keller. Die Studiodirektion hatte aber das Gefühl, dass sie sich mit zwei Filmen rehabilitieren wird, S PUR DER S TEINE und B ERLIN UM DIE E CKE .
Und zunächst sah es auch tatsächlich so aus. S PUR DER S TEINE sollte in den Wettbewerb des Festivals Karlovy Vary geschickt und von der Hauptverwaltung Film mit dem Prädikat ‹besonders wertvoll› ausgezeichnet werden. Er sollte mit 56 Kopien in der DDR anlaufen. Während der Arbeiterfestspiele in Potsdam im Juni 1966 fanden Voraufführungen statt. Ohne Probleme, die Zuschauer drängten sich, sie waren hellwach und hochinteressiert. Aber nach den Festspielen bekam die kulturpolitische Betonfraktion wieder die Oberhand. Angeführt wurde sie vom SED-Bezirkssekretär Paul Fröhlich in Leipzig, der schon gegen den Roman intrigiert hatte. Zwischen Fröhlich und seinem liberaleren Genossen Sindermann in Halle gab es erhebliche Rivalitäten. […]
Während der Premiere in Berlin saßen Gruppen von Leuten im Kino, die Zwischenrufe machten. Sie hatten den Film schon vorher gesehen und geübt. In Leipzig wurden überhaupt nur wenige Eintrittskarten verkauft; Paul Fröhlich hat die Kampfgruppen hineindirigiert. Dort ging der Film in der zweiten Vorführung im Tumult unter. Aus Rostock habe ich eine witzige Geschichte gehört. Man hatte vergessen, den Kinoleiter vorher von den geplanten Störungen zu informieren. Der benachrichtigte nichts ahnend die Polizei, die holte die Randalierer aus dem Kino. In Halle, dem Bezirk von Horst Sindermann, passierte dagegen gar nichts. Der Film lief im ausverkauften Kino störungsfrei und wurde nach den geplanten Tagen abgesetzt.
Ich weiß nicht, wer die Randale angeordnet hat, es gibt darüber keine Dokumente. Der ursprüngliche Beschluss lautete ja auch anders, nämlich den Film nach ein paar Tagen sang- und klanglos aus den Kinos zu nehmen und ihn durch ein paar zugkräftige Westproduktionen zu ersetzen. Der seit Januar 1966 amtierende Kulturminister Klaus Gysibestellte mich am Premierentag zu sich und teilte mir das mit. Er wollte auch verhindern, dass ich mit den Schauspielern an der Premiere teilnahm. Ein direktes Verbot, das Kino zu betreten, mochte er jedoch nicht aussprechen.
So saß ich mit Manfred Krug und den anderen Darstellern in der letzten Reihe im ‹International›. Der Kassenraum war voll von Journalisten und Leuten, die zwar Einladungen hatten, aber keine Karten bekamen. Ihre hundert oder hundertfünfzig Plätze waren besetzt von ‹Abgesandten›, die Stimmung gegen den Film machen sollten. Der Film begann, und die Randale ging los. […] Zwei Drittel der Besucher wussten nicht, wie ihnen geschah. Sie setzten sich zur Wehr. Bis sie merkten, es hat keinen Sinn, dagegen zu rufen, das putscht die Schreihälse nur
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