Skelett
der Speichel gesammelt, und ihre Augen hatte sie zu Schlitzen zusammengekniffen. Die sieht ja wie eine böse alte Hexe aus, dachte Paula.
Mrs Brogan drehte sich um und deutete auf die schmutzigen Teller in der Spüle. »Tarvin wird gleich zum Abwaschen kommen«, brummte sie. »Gehen Sie ruhig wieder zurück zu den anderen.«
Noch während sie redete, ging am anderen Ende der Küche ganz langsam eine Tür auf, und ein Mann schlurfte herein.
»Da ist er ja schon«, sagte Mrs Brogan. »Hol das restliche Geschirr aus dem Esszimmer, Tarvin, und dann spül ab!«
Tarvin, der eine weiße Jacke trug, war mittelgroß und etwas dicklich. Der große, runde Kopf mit den hervorquellenden Augen und der Stupsnase verlieh ihm zusammen mit dem weichen Kinn das Aussehen eines Mopses. Er bewegte sich langsam und abgehackt, fast wie ein Roboter. Paula war er auf Anhieb unsympathisch, weshalb sie schleunigst die Küche verließ. Was hatte dieser Tarvin nur an sich, das sie so beunruhigte? Als sie ins Esszimmer zurückkam, war nur noch Larry da.
Er erhob sich mit einem freundlichen Lächeln. »Tweed und Michael sind in mein Arbeitszimmer gegangen, während ich hier auf Sie gewartet habe«, sagte er. »Aber was machen Sie denn für ein besorgtes Gesicht? Hat Mrs Brogan Sie so durcheinander gebracht?«
»Nein, aber Tarvin«, erwiderte Paula spontan und bereute sofort, das gesagt zu haben.
»Ja, er ist schon sehr eigen.«
Als sie nebeneinander ins Arbeitszimmer gingen, legte Larry einen Arm um Paula und bot ihr aus einem silbernen Etui eine Zigarette an. Sie lehnte ab, aber er nahm sich selbst eine und zündete sie an.
»Wir haben hier ein großes Problem mit dem Personal«, erklärte er. »Es ist schwierig, Leute zu finden, die für längere Zeit bei uns bleiben. Deshalb sind wir auch so froh darüber, dass wir Mrs Brogan haben. Sie ist tüchtig, schmeißt allein den ganzen Laden und ist darüber hinaus eine ausgezeichnete Köchin.«
»Das kann ich nur bestätigen. Ich wollte es ihr draußen in der Küche sagen, aber dann hat sie ein anderes Thema angesprochen«, sagte Paula.
»Hin und wieder gelingt es ihr, ein paar Mädchen aus Post Lacey für den Dienst hier im Haus zu engagieren, aber meistens bleiben die dann nur ein paar Monate, bevor sie weiter nach Exeter ziehen. Und von dort aus geht es dann nach London, vermute ich mal.«
»Wahrscheinlich fühlen sich diese jungen Dinger hier zu einsam«, sagte Paula.
»Ganz bestimmt sogar. Und weil es so schwer ist, überhaupt Personal zu finden, war ich auch einverstanden, dass Mrs Brogan diesen Tarvin eingestellt hat. Er ist ein seltsamer Vogel, der mir manchmal so vorkommt, als wäre er leibhaftig einem Horrorfilm entsprungen. Unter uns: Ich mag ihn nicht, aber ich kann es mir nicht leisten, Mrs Brogan zu verärgern. Sie schätzt Tarvin und kommt gut mit ihm aus. Außer ihm arbeiten hier normalerweise noch ein paar Dienstmädchen aus dem Dorf, aber die haben heute ihren freien Abend. Mal sehen, wie lange sie es bei uns aushalten. Aber jetzt genug davon. Gehen wir zu den anderen.«
Zuerst konnte Paula ihren Chef, der halb versteckt in einer Ecke saß, nicht entdecken. Larry flüsterte ihr zu, dass Tweed ihn unter vier Augen sprechen wolle, und ging zu ihm. Michael war offensichtlich wieder in sein Zimmer gegangen, aber dafür erhob sich zu Paulas Erstaunen eine ihr unbekannte, ausgesprochen gut aussehende Frau aus einem der Sessel und kam auf sie zu. Sie war auffallend blond, allerdings sah es nicht so aus, als ob das Haar gefärbt wäre.
»Ich stelle mich am besten selbst vor, wenn Larry das nicht für nötig hält«, flötete sie. »Ich bin seine Schwester Lucinda. Kommen Sie, wir setzen uns ans Feuer, da ist es angenehm warm. Ich habe mich gerade etwas mit Ihrem Boss unterhalten. Ein wirklich bemerkenswerter Mann. Also, mir sind ältere Männer einfach lieber; die jungen sind doch nur an Äußerlichkeiten interessiert und haben keinen Sinn für intellektuelle Gespräche. Darf ich Sie Paula nennen? Mr Tweed hat mir viel von Ihnen erzählt. Ach, du meine Güte, da kommt ja dieser schreckliche Mann mit dem Kaffee.«
Tarvin, der eine makellos saubere Serviette über dem Arm hängen hatte, schlurfte langsam heran. Er trug ein Tablett mit Tassen und einer silbernen Kaffeekanne und wirkte dabei auf Paula wie ein Raubtier, das sich an seine Beute heranpirschte.
»Ich nehme den Kaffee schwarz«, sagte sie, bevor Tarvin eine Frage an sie stellen konnte.
»Ich auch«, zwitscherte
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