Skelett
Stechginsterhecken gesäumten Landsträßchen fort.
Paula packte Tweed am Arm und flüsterte: »Er hat gerade die B3212 gekreuzt. Liegt hier nicht Abbey Grange in unmittelbarer Nähe? Die rückwärtige Mauer des Anwesens grenzt an die Straße, glaube ich.«
»Sie haben Recht«, sagte Tweed. Auch er flüsterte. »Aber behalten Sie das für sich. Ich habe draußen gerade etwas gesehen, was ich ziemlich merkwürdig finde.« Er wandte sich an Warden. »Könnten Sie hier vielleicht kurz anhalten?«, sagte er. »Wir würden uns gern kurz die Beine vertreten.«
Warden brachte den Wagen zum Stehen, ließ aber die Scheinwerfer an. Tweed stieg aus und ging dann gemeinsam mit Paula die Straße entlang. Vor einer schwarzen Pfütze auf dem Asphalt blieb er stehen und holte ein Stückchen Papier aus der Hosentasche. Nachdem er es in die Pfütze getaucht hatte, hielt er es sich unter die Nase und roch daran. Paula sah ihn fragend an.
»Das ist Dieselöl«, erklärte Tweed. »Und jetzt werfen Sie mal einen Blick dort hinüber.«
Er deutete auf einen Reifenabdruck, der schwarz und glänzend auf dem Asphalt prangte. Paula nahm die Kamera aus ihrer Umhängetasche und fotografierte die Reifenspur, während Tweed sie mit seiner Taschenlampe beleuchtete. Dann zeigte er ihr weitere Profilabdrücke am Straßenrand und sagte: »Haben Sie vielleicht zufällig einen Zollstock dabei?«
»Nein, aber ein Maßband aus meinem Reise-Nähset«, sagte Paula, während sie weitere Fotos schoss.
»Ich würde gern den Abstand zwischen den Reifenspuren messen.«
Paula reichte Tweed das Maßband. Als er mit dem Ausmessen fertig war, notierte er sich ein paar Zahlen in sein Notizbuch.
»Ziemlich breiter Radstand«, sagte er. »Muss ein großes Fahrzeug gewesen sein, das diese Straße entlanggefahren ist. Ich bin gespannt, wo die Spur uns hinführt.«
Als sie wieder im Wagen saßen, bat er Warden, der Straße langsam zu folgen. Wie man es von Warden gewohnt war, stellte er keinerlei Fragen, während sie weiter durch die unbewohnte Landschaft fuhren. Tweed saß nun kerzengerade im Wagen und behielt die Straße fest im Auge.
In unregelmäßigen Abständen konnte Tweed weitere Reifenspuren und Ölflecke auf der Fahrbahn ausmachen. An einer Kreuzung bat er Warden, kurz anzuhalten und zunächst nach links abzubiegen. Im Scheinwerferlicht tauchten weitere Reifenspuren auf.
»So, und jetzt fahren Sie bitte zurück auf die Straße.«
Paula wunderte sich darüber, wie lange sie jetzt schon über das flache Land fuhren. Zu ihrer Rechten zeigte ein Wegweiser nach Bideford. Als sie daran vorbeifuhren, flüsterte sie Tweed zu: »Jetzt sind wir aber verdammt weit weg von Abbey Grange. Nicht mehr lange, und wir stoßen auf den Bristolkanal.«
»Ich weiß. Aber es sind immer noch diese Reifenabdrücke zu sehen. Die Strecke muss ein großer Lastwagen gefahren sein«, sagte Tweed mit gedämpfter Stimme.
»Entschuldigen Sie, Sir, aber ich muss wohl irgendwo eine Abzweigung verpasst haben«, meldete sich Warden zu Wort, als sie auf einmal das im Mondschein schimmernde Meer vor sich liegen sahen. »Irgendwie sind wir meilenweit vom Kurs abgekommen.«
»Machen Sie sich da mal keine Sorgen«, meinte Tweed munter. »Nach unseren bisherigen Erlebnissen im Dartmoor dürfte das eine willkommene Abwechslung sein.«
Er wies Warden an, weiter den Ölpfützen und Reifenspuren zu folgen. Bald führte die Straße so dicht am Meer vorbei, dass sie sehen konnten, wie der Gischt der sich brechenden Dünung über die Mauer spritzte. Die Wellen waren teilweise so hoch, dass sie die Straße zu überfluten drohten, die sich nach ein paar hundert Metern in einen nicht asphaltierten Fahrweg verwandelte.
»Ich kenne die Gegend hier ganz genau«, sagte Tweed. »Hier bin ich vor vielen Jahren einmal mit meiner Frau entlanggewandert.«
Hinter der Straße stieg eine Felswand steil nach oben. Paula drückte das Gesicht an eines der Seitenfenster und starrte hinauf. Ganz oben bemerkte sie einen riesigen Felsbrocken, der so aussah, als könnte er jeden Augenblick herunterfallen. Tweed deutete nach oben.
»Die Einheimischen nennen ihn den ›Wackelfelsen‹«, sagte er.
»Wie passend«, sagte Paula. »Ich will nur hoffen, dass er nicht ausgerechnet jetzt herunterfällt.«
»Das wird er bestimmt nicht tun«, versicherte ihr Tweed.
»In dieser prekären Lage befindet er sich nämlich schon seit über hundert Jahren. Und seit dieser Zeit heißt es auch, dass der Berg über ihm langsam ins
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