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Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)

Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)

Titel: Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Jarratt
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hinzusehen.
    »Alles in Ordnung?«
    Er stand direkt hinter mir. Ich sah auch sein Spiegelbild. Schnell machte ich die Schranktür zu und suchte in einer Schublade nach dem Jod und dem Erste-Hilfe-Set. Als ich mich umdrehte, saß er auf einem Stuhl und beobachtete mich.
    Er berührte die rechte Seite seines Gesichts. »Was ist passiert?«
    Wieder ganz direkt. Anders als jeder sonst. Und er sah mir voll ins Gesicht.
    »Du musst nicht antworten.«
    Irgendjemand, der mutiger war als ich, sagte mit meiner Stimme: »Ein Autounfall.«
    »Es ist noch nicht lange her, oder?«
    »Anfang des Jahres.«
    Ich wandte mich ab und füllte die Schüssel mit Wasser und Jod. Das Wasser verfärbte sich und der Geruch von Desinfektionsmittel waberte durch die Küche.
    »Ich heiße Ryan. Und du?«
    »Jenna«, sagte ich und wickelte eine Mullbinde ab.
    Ich lieh mir die Beine von jemand anderem, ging hinüber zum Küchentisch und stellte die Schüssel darauf ab.
    »Weißt du, ich hab verdammtes Glück mit dem Namen. Mum wollte mich eigentlich Widerstand nennen.«
    Ich verschluckte mich fast. »Wie wollte sie dich nennen?«
    »Ja, du hast schon richtig gehört.« Er klang betrübt, doch ich sah, dass er ein Lächeln verbarg. »Widerstand. Wenn ich ein Mädchen geworden wäre, hätte sie mich Freiheit genannt. Doch ich wurde keins, also hat sie stattdessen unser Boot so getauft.«
    »Warum hat sie ihre Meinung geändert? Wegen Widerstand, meine ich.« Ich tunkte den Verbandsmull der Länge nach ins Wasser und betupfte seine Schulter. Ich wollte mich von oben nach unten vorarbeiten. Er versteifte sich. »Hat das wehgetan?«
    »Nein. Ich hab nur darüber nachgedacht, was für ein Glück ich hatte, dass ich dem Namen noch mal entgangen bin.«
    Lügner!
    »Sie behauptete, die Runen hätten ihr davon abgeraten.«
    »Äh, wie bitte?«
    Er seufzte. »Die Runen. Ein altes Wikinger-Alphabet. Sie wirft sie rum und behauptet, sie haben ihr etwas zu sagen.«
    Ich griff nach einem neuen Mullstreifen und nahm mir das nächste Stück aufgeschürfter Haut vor. »Tun sie das wirklich?«
    »Nein, das ist nur ein Haufen Hippie-Mist.« Er brach ab, und ich fragte mich, ob ich ihm schon wieder wehgetan hatte. »Aber sie haben ihr befohlen, mich nicht Widerstand zu nennen, also können sie nicht völlig unbrauchbar sein.« Er legte den Kopf in den Nacken und blickte mit gespielter Erleichterung zu mir auf. Seine Augen hatten die warme braune Farbe von Haselnüssen. »Gehst du nicht gern Schlittschuhlaufen? Oder warum sind die anderen ohne dich los?«
    »Hm, tja, ich find’s ganz nett, aber … ich musste Hausaufgaben machen.«
    »Also wärst du mitgefahren, wenn du die nicht aufgehabt hättest?« Er sog zischend den Atem ein, als ich sein Schulterblatt desinfizierte.
    Ich hatte das seltsame Gefühl, dass er wusste, dass ich trotzdem nicht mitgefahren wäre. Deshalb antwortete ich nicht und konzentrierte mich darauf, ein besonders hartnäckiges Klümpchen Dreck aus der Wunde zu entfernen.
    »Gehst du nicht aufs College oder zur Schule?«, fragte ich nach einer Weile.
    »Noch nie.«
    »Was heißt das, noch nie?«
    »Das heißt Nein. Mum hat mich zu Hause unterrichtet. Sie glaubt, dass Schulen einem eine Gehirnwäsche verpassen.«
    Ich füllte frisches Wasser in die Schüssel. »Das ist ja verrückt. Oh, ich meine nicht deine Mutter! Aber dass du nie auf eine Schule gegangen bist. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Wie findest du denn Freunde?«
    Ohne an seine Schürfwunden zu denken, zuckte er mit den Schultern und machte dann ein Gesicht, als ob er es lieber gelassen hätte.
    »Wenn du eine Weile irgendwo bleibst, freundest du dich mit anderen Nomaden an. Wenn wir das Boot reparieren lassen müssen, wohnen wir zum Beispiel immer eine Zeit lang bei Freunden meiner Mutter.«
    »Warum nur mit anderen Nomaden? Hier, stell deinen Ellbogen in die Schüssel und lass ihn einweichen.«
    »Weil die restlichen Leute nichts mit dir zu tun haben wollen.« Er runzelte die Stirn und in seiner Stimme lag eine Spur von Feindseligkeit. Sogar von Bitterkeit. Er legte den Kopf schief und sah mich an. »Weißt du, als ich dich unten am Kanal gesehen habe, dachte ich zuerst, du wärst deshalb so abweisend.«
    Ich schüttelte heftig den Kopf. »Ich hatte gar nicht kapiert, dass du auf dem Boot lebst. Ich dachte, du machst hier Urlaub.« Mir war klar, was er meinte, ich wusste, wie Leute über Menschen, die herumzogen, redeten: Lauter Diebe, die wie die Schweine leben,

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