Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)
kann hübsch oder scharf sein, aber dass das eine nicht unbedingt zum andern führen würde. Steven war beides, fand sie.
Bis zum letzten Herbst sahen wir ihn höchstens von Weitem. Er war drei Jahre älter als Lindz, vier Jahre älter als ich und wohnte am Badeley College. Seinem Vater gehörte eine landesweite Kette von Möbelhäusern und seine Eltern waren oft geschäftlich unterwegs. An Weihnachten fuhr die Familie zum Skifahren in die Schweiz. Den Sommer verbrachte sie in ihrer Villa in Südfrankreich. Ostern war die einzige Zeit, zu der er zu Hause war – bis letzten November, als Badeley ihn in seinem sechsten und letzten Jahr rauswarf. Angeblich hatte es was mit Drogen zu tun. Gerüchte besagten, es sei nicht das erste Mal gewesen.
Jetzt war er also hier in Strenton und hatte nichts zu tun. Sein Vater – wütend wegen der Unsummen, die er für Stevens Erziehung ausgegeben hatte – zwang ihn, im Büro seiner Niederlassung in Whitmere zu arbeiten. Dabei lernte er Rob White kennen, der im Auslieferungslager Kisten stapelte. Rob besserte seinen Lohn damit auf, ein bisschen Stoff zu verticken, und schon hatte Steven seinen nächsten Lieferanten gefunden.
Lindz und ich begegneten ihm an einem Samstagmorgen, als wir zum Dorfladen unterwegs waren. Steven saß draußen auf der Bank, drehte sich eine Zigarette und machte ein Gesicht, als ob er gleich vor Langeweile sterben würde.
Als sie ihn sah, bekam Lindz große Augen. Er war ein riesiges Geschenk für sie, das nur darauf wartete, ausgepackt zu werden. Ich gebe zu, dass er wirklich beeindruckend aussah. Fast 1,90 Meter groß und Schultern so breit wie ein Rugbyspieler. Später fanden wir heraus, dass er tatsächlich einer war. Blondes Haar, blaue Augen und ein Rest französischer Bräune. Er hatte Wangenknochen zum Niederknien und einen vollen Mund, der vielleicht ein bisschen mädchenhaft gewesen wäre, wenn er ihn nicht dauernd zu einem Grinsen verzogen hätte.
Hübsch – klick.
Scharf – klick.
Coole Ausstrahlung – Doppelklick.
»Warte kurz auf mich«, flüsterte Lindz und schlenderte rüber zu ihm, während ich so tat, als ob ich die Anzeigen im Schaufenster studierte. »Hey, ich hab gehört, dass du wieder hier bist«, sagte sie.
Er warf ihr einen »Kenn ich dich?«-Blick zu, der mich total abgeschreckt hätte. Doch sie setzte einfach die gleiche Miene auf, bis er lachte und sich auf der Bank zurücklehnte, um sie anzuschauen. Nun mit deutlich mehr Interesse. »Wie hältst du es hier nur aus?«, fragte er. »Es ist total ätzend und ich bin erst seit einer Woche wieder da.«
»Auf dem Land muss man eben selbst für den Spaß sorgen.«
Ich wirbelte herum, traute meinen Ohren kaum. Das konnte sie doch nicht wirklich gesagt oder es gar so anzüglich gemeint haben, wie es klang! Doch an ihrem Gesicht sah ich, dass es so war.
Und Steven wusste es auch.
Danach waren sie fast unzertrennlich.
Aber zu ihrer Beerdigung ist er nicht gekommen.
Heimwärts nahmen wir den Reitweg, und als wir das Wäldchen durchquert hatten, witterte Raggs unser Zuhause und rannte los. Ich öffnete den Mund, um ihn zurückzurufen …
Zu spät.
Irgendetwas schoss am offenen Tor vorbei. Gleichzeitig hörte ich das Krachen von Metall und Raggs, der wie verrückt losbellte.
Ich sprang von Scrabbles Rücken und führte ihn zum Torpfosten, wo ich hastig die Zügel festmachte. Dann lief ich auf die Straße. »Oh, es tut mir so leid! Sind Sie …« Die Worte blieben mir im Hals stecken. Da lag ein Fahrrad, die Räder drehten sich noch. Und links von mir stöhnte ein Junge auf dem Boden, während Raggs wie wild um ihn herumrannte.
Der Bootsjunge … oh Gott, nein …
Ich starrte ihn an, mein Magen sank mir bis in die Reitstiefel, und ich hätte mich am liebsten unsichtbar gemacht. Raggs hörte auf, seine Runden zu drehen, und sprang auf den Jungen, um ihm wie verrückt das Gesicht abzulecken.
»Nein! Runter!« Er schob Raggs weg, aber nicht grob.
Ich rannte zu ihm und nahm den Hund an die Leine. »Geht es dir gut?« Dann sah ich, was unter ihm lag.
Nein
…
oh nein
…
lass mich bitte tot sein
… Ein Haufen Pferdeäpfel. Von Scrabble. Mein Hund hatte ihn vom Rad geworfen und er war im Mist gelandet, den ausgerechnet mein Pferd hinterlassen hatte.
Stöhnend setzte er sich auf – trug er eigentlich jemals ein Hemd? – und bewegte die Beine. »Ja, alles okay.«
Ich schlug mir die Hand vor den Mund, als ich seinen Rücken sah. »Oh mein Gott! Du blutest ja!«
Er
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