Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)
kam auf uns zu. Ihre weiße Bluse war weit aufgeknöpft und die Krawatte gelockert. Ihr Rock reichte bis zur Mitte der Oberschenkel. Hübsche Beine! Insgesamt sah sie vielleicht ein bisschen billig aus. Ihre Haut war vom Selbstbräuner ganz orange und die riesigen goldenen Kreolen in ihren Ohren streiften fast ihre Schultern.
»Wer ist das?«, zischte ich.
»Sadie, Petes Tochter. Sie ist sechzehn, benimmt sich aber wie dreißig«, raunte mir Bill von der Seite zu.
Sie kam zu uns rüber und wackelte noch stärker mit den Hüften, nachdem sie uns entdeckt hatte.
»Ist Dad da?« Ihre Worte waren an Bill gerichtet, aber ihre Augen ruhten auf mir.
»Im Laden«, grunzte Bill.
»Wer ist das?«
»Ein neuer Junge.«
»Hm, das sehe ich. Hat er auch einen Namen?«
»Ryan«, antwortete ich.
Sie betrachtete mich, als wäre ich ein Schokoladeneis, an dem sie lecken wollte. »Ich schätze, ich seh dich bald wieder, Ryan. Ich komme oft hierher.« Sie schlenderte in Richtung Laden davon und warf einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass ich ihr hinterherschaute.
»Ja, sie kommt immer her, wenn sie was will«, knurrte Bill. »Zieh dir verdammt noch mal ein T-Shirt an, ja? Die verspeist dich zum Frühstück. Und ihr Vater hat es nicht gern, wenn jemand mit seinem kleinen Mädchen rummacht, also pass bloß auf.«
Was hatten die Leute nur andauernd mit meinem T-Shirt? Als ich es überzog, sah ich an mir herab. Da war doch nichts verkehrt. Ich sah ganz normal aus. Ziemlich gut sogar, wirklich ziemlich gut.
Als ich an diesem Abend nach Hause kam, ging ich wie immer nach der Arbeit duschen, während Mum in der Küche das Abendessen machte. Ich trocknete mich ab und betrachtete einen kleinen Teil von mir in dem beschlagenen Spiegel. Sah so weit okay aus, aber es war nur die obere Hälfte meiner Brust. Ich ging in die Küche, um eine zweite Meinung einzuholen.
»Mum, bin ich zu dünn oder zu dick oder gerade richtig?«
»Du bist wunderschön«, sagte sie, schnippelte Paprikaschoten klein und blickte nicht mal hoch.
»Kannst du mich bitte richtig anschauen?«
Ich sehe nämlich tatsächlich anders aus als damals mit zehn.
Sie wandte sich zu mir. »Alles an dir ist perfekt. Wer ist sie?«
»Niemand. Ich frag nur so.«
Mum hob eine Augenbraue. »Dann siehst du einfach nur so perfekt aus. Absolut großartig. Gib mir mal eine Zwiebel.«
»Mum!«
Sie wusch ihre Hände unter dem Wasserhahn. »Komm her.« Sie waren kalt und nass, als sie damit mein Gesicht berührte und es von links nach rechts drehte. »Ja, perfekt trifft es.«
»Du bist meine Mutter. Du musst das sagen. Versuch bitte, objektiv zu sein. Kann ich zum Geburtstag eine Langhantel bekommen?«
»Wofür?«
»Mann! Um mehr Muskeln aufzubauen.«
»Mal sehen.« Sie drehte sich weg, um weiter die Paprikaschoten klein zu schneiden.
Ich bin sicher, das lernen Frauen, wenn sie schwanger sind, kurz bevor sie ihr Kind auf die Welt bringen. »Wenn dich dein Sprössling um etwas bittet, dann gibst du es ihm nicht, sondern sagst nur ›Mal sehen‹, und schon hält er die Klappe.«
»Wie wäre es dann mit ein paar Kurzhanteln?«
»Ryan, verschwinde und mach was Sinnvolles. Lies ein Buch.«
»Trainieren ist was Sinnvolles.«
»Gib mir die Zwiebel. Dann hast du dein Training.«
»Na schön! Dann kauf ich sie mir eben von meinem Lohn.« Ich marschierte zu einem Sessel und ließ mich darauffallen. Ja, es war kindisch, aber sie wollte einfach nie, dass ich normale Sachen machte. Cole hatte Hanteln. Bei ihm war das okay. Er musste nicht so verdammt
sensibel
sein.
Das war ihr wichtig. Nachdem Cole ausgezogen war, hatte Mum sich betrunken. Das machte sie nicht sehr oft. »Alle Männer sind Schweine, Ryan«, sagte sie. Mum saß am Fußende meines Bettes und kippte eine Flasche Wein runter. »Aber du wirst kein Schwein. Ich habe dich anders erzogen. Damit du Kontakt zu deiner weiblichen Seite hast. Damit du Frauen zu schätzen weißt und damit du sensibel bist.«
Trotzdem war ich ein
Junge
und zwar gern. Letzten Monat hatte ich mich zum ersten Mal rasiert. Wusste sie das überhaupt?
Sie hatte damals gar nicht mehr aufgehört zu reden. »In Wahrheit sind die Frauen stärker. Deshalb fühlen sich die Männer von uns bedroht. Sie sind schwach und wollen ständig alles unter Kontrolle haben. Um uns zu beherrschen. Um Kriege zu führen. Morde zu begehen. Missbrauch zu verüben. Ganz tief in ihrem Inneren sind sie nämlich eifersüchtig darauf, dass wir Leben
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