Skin Game: Gefährliche Berührung (German Edition)
nachlassen. Hinter ihren Schläfen verspürte sie bereits das Pochen. Die Nebenwirkung war zu stark, wenn sie am selben Tag mehr als eine Fähigkeit übernahm. Auch darum mied sie den Körperkontakt zu Fremden. Doch es war ihr ja keine Wahl geblieben, als Mr Groß-Dunkel-und-Furchteinflößend das Messer an ihren Reifen gesetzt hatte. Sie hasste es wie die Pest, wenn man ihr keine Wahl ließ.
»Sie können jetzt rauskommen«, rief sie dem jungen Mann zu, der in dem Büro kauerte. »Vielleicht sollten Sie eine Rolle Klebeband aufreißen und den Scheißkerl damit fesseln.«
Der Kassierer kam zögerlich zur Tür, als vermutete er, es handelte sich um einen fiesen Trick. Er riss die Augen auf, als er den Räuber am Boden liegen sah. »Was haben Sie … wie … ?«
Das werde ich heute ständig gefragt , dachte Kyra und seufzte. Darum ließ sie sich nie auf etwas ein, sondern war immer unterwegs und nahm nur mit, was sie tragen konnte.
»Karatekurs«, antwortete sie mit unbewegter Miene. »Holen Sie das Klebeband oder soll ich?«
»Ich – nein … ich hol’s.« Endlich setzte sich der Typ in Bewegung. Er lief in einen Gang neben den Kühlregalen und riss eine Packung Isolierband auf.
»Sie sollten den Sheriff rufen«, riet Kyra freundlich. »Und wenn es nicht zu viele Umstände macht, könnten Sie vielleicht die Zapfsäule vier freischalten. Ich möchte zwanzig Liter bleifrei, zwei Hotdogs und zwei Slushies.«
»Wollen Sie mich verarschen?« Der Kassierer, der groß, dünn und picklig war, zog die Brauen hoch. »Das hier ist Reality- TV , oder? Normale Leute machen so was nicht.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich schon. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich bei den Cops nicht erwähnen würden. Dafür können Sie sich als den Helden ausgeben. Das wird sämtliche Räuber im Umkreis von hundert Meilen abschrecken.«
»Äh, okay, abgemacht«, sagte der Kassierer. »Ich kann das Benzin nicht gratis geben, aber die Hotdogs und Slushies gehen auf mich.« Er schüttelte den Kopf. »Mann, das ist die verrückteste Spätschicht überhaupt.«
»Da sagen Sie was.« Kyra stieg über den Räuber hinweg, ließ sich das Essen und die Getränke geben und legte einen Zwanziger fürs Benzin auf den Tresen.
Als sie hinaus in die feuchte Nachtluft trat, sah sie ihren Beifahrer am Wagen warten.
Reyes brütete vor sich hin.
Der Hotdog war nicht der schlechteste gewesen, aber er verstand nicht, was man an einem Heidelbeer-Slushie finden konnte. Es wäre jedoch unhöflich, sich zu beschweren, und würde auch nicht zu seiner Rolle passen. Ein mittelloser Tramp war für alles dankbar, was er bekam.
Er hatte sie durch die Glasfront des Ladens beobachtet und gesehen, wie sie völlig unvorsichtig hineinspaziert war. Sollte ihm recht sein, wenn sie lebensmüde war. Aber noch durfte sie nicht sterben, erst musste er das in Erfahrung bringen, was sein Auftraggeber wissen wollte.
Er war darauf vorbereitet gewesen, ihr aus der Klemme zu helfen. Womit er jedoch nicht gerechnet hatte, war, sie seine Kampfbewegungen machen zu sehen. Kopf aufs Knie und Double-Kick? Wenn er daran dachte, wurde ihm mulmig zumute. Es machte ihn kribbelig.
»Wir sind kurz vor Lake Charles.« Mit dieser Bemerkung riss sie ihn aus seinen immer verworreneren Gedanken. »Wo soll ich dich rauslassen?«
Sie dachte natürlich, dass sich ihre Wege jetzt trennen würden. Er zuckte mit den Schultern. »Ist mir egal. Danke fürs Essen und fürs Mitnehmen.«
Seit gut einer Stunde tat er so, als hätte er das Interesse an ihr verloren. Sich gleichgültig zu geben, war die sicherste Methode, um Feindseligkeit abzubauen. Reyes wünschte, es würde auch der Wahrheit entsprechen, aber er war doch ziemlich fasziniert von ihr.
Statt ihr Profil zu betrachten, richtete er seinen Blick auf die funkelnden weißen Lichter vor ihnen, die untrüglichen Zeichen von Stadtleben und Zivilisation. Gerade weil er es gern getan hätte, durfte er Kyras Anblick nicht genießen. Er war beruflich hier, nicht zum Vergnügen. Es hatte Spaß gemacht, ihrer Spur zu folgen, aber jetzt hatte er sie und durfte sich nicht ablenken lassen.
»Kein Problem.« Sie schwieg kurz und fuhr dann zögernd fort: »Aber ich kann dich nicht irgendwo am Straßenrand rauswerfen.«
»Warum nicht?« Reyes fand die Frage naheliegend. »Du wolltest mich doch zuerst überhaupt nicht mitnehmen, und wenn du an der Tankstelle nicht in diese Szene geplatzt wärst, hättest du mich da schon stehen lassen.«
Aha, sie
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