Skorpion
verdammter Morast der Ignoranz, in dem sie sich suhlen konnten. Dafür haben sie zweihundert verdammte Jahre benötigt, aber am Ende haben sie genau das bekommen, was sie haben wollten.«
»Jetzt machen Sie mal halblang! Sie haben die Rimstaaten verloren. Das ist was – ein Drittel des amerikanischen Bruttosozialprodukts?« Er verstand nicht so recht, weshalb er so leidenschaftlich mit ihr debattierte. Er kannte den Grund, denn jeder, der für UNGLA arbeitete, musste es tun, aber er war alles andere als ein Experte. Es war nicht so, dass es ihn interessierte. »Und, sehen Sie, aus dem, was ich heutzutage so von Chicago höre, können sie die Seenstaaten vielleicht auch nicht mehr lange halten. Dann haben Sie da Arizona…«
»Genau.« Sie schnaubte und sank tiefer in ihren Sessel. »Das beschissene Arizona.«
»Sie reden von einem Beitritt zu den Rimstaaten.«
»Marsalis, das ist Arizona. Wahrscheinlicher als alles andere ist, dass sie eine unabhängige Republik erklären. Und überhaupt, wenn Sie glauben, Jesusland würde sie oder irgendeinen anderen der Seenstaaten sich so ablösen lassen, wie es der Nordosten getan hat, dann sind Sie verrückt. Sie bringen die Nationalgarde schneller da rein, als Sie sagen können: Gelobt sei der Herr!«
Weil es ihm so oder so egal war – genau? –, erwiderte er nichts, und das Gespräch fand mit ihren letzten Worten abrupt sein Ende. Es folgte ein langes Schweigen. Beide schauten hinaus zu den Schiffen.
»Tut mir leid«, sagte sie nach einer Weile.
»Schon gut. Sie haben mir gerade von Keegan erzählt. Wie Sie darauf gewartet haben, dass seine Leiche auftauchte.«
»Ja, ja.« Sie nippte an ihrem Getränk. »Nicht viel zu berichten. Wir haben nie was gehört. Ab September entspannten wir uns allmählich wieder. Ich glaube, deswegen war ich am Ende schwanger, wissen Sie. Ich meine, nicht dort und dann, aber das war der Anfang. Da wurden wir allmählich zuversichtlich. Machten uns keine Sorgen mehr um die Lage, sondern lebten einfach so, als ob keine Gefahr bestünde, als ob Ethan einfach ein ganz normaler Bursche sei. Etwa ein Jahr und dann, peng, huch!« Sie lächelte freudlos. »Biologie in Aktion!«
»Und sie haben es Ihnen weggenommen.«
Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. »Ja. Das Gesetz der Union ist ziemlich progressiv, aber sie wollten gegen den Konsens nicht so weit angehen. Keine Nachkommen von der Rasse der Variante Dreizehn, alles und jegliches gereiftes genetisches Material hatte vernichtet zu werden. Ich habe mir Anwälte genommen, die dagegen ankämpften, die moralische Präzedenzfälle aus der Zeit vor der Sezession über späte Abtreibung anführten, Recht auf Leben, der ganze Scheiß. Sind jetzt fast fünf Jahre her, und wir kämpfen immer noch. Revision eingelegt, abgelehnt, Widerspruch, Gegenrevision. Aber wir verlieren. UNGLA besitzt alles Geld der Welt, um diesen Kampf zu führen, und ihre Anwälte sind besser als meine.«
»So was macht ein COLIN-Gehalt sehr attraktiv, könnte ich mir vorstellen.«
»Eben.« Ihr Gesicht wurde härter. »So was macht die Arbeit für eine Organisation, die einen Scheißdreck um die UNGLA gibt, auch noch sehr attraktiv.«
»Sehen Sie mich nicht so an! Ich arbeite freiberuflich.«
»Ja. Aber es war jemand wie Sie mit einer Verbindung zur UNGLA im Rathaus, der wegen Ethan kam, der die SWATs auf ihn angesetzt hat. Es war jemand wie Sie, der die Anordnung erteilt hat, bei meinem verdammten Baby mit sechseinhalb Monaten künstlich die Geburt einzuleiten und es in eine Kryokappe zu stecken, bis das Anwaltsteam der UNGLA eine Regelung finden kann, es ermorden zu lassen.«
Ihre Stimme brach beim letzten Satz. Sie vergrub sich in ihren Drink. Wollte ihn nicht mehr ansehen.
Er versuchte nicht, sie aus ihrem abgerissenen Ärger zu befreien, mit dem sie sich umgab, weil es so aussah, als brauche sie ihn. Er wies nicht auf die offensichtlichen Mängel hin.
In Wahrheit, Sevgi, unterließ er zu sagen, war es wahrscheinlich niemand wie ich, weil es zunächst einmal gar nicht so viele wie mich gibt. Vier andere lizensierte Dreizehner arbeiten, soweit mir bekannt ist, für die UNGLA, und keiner von denen als Kooperationspartner.
Und, um es mehr auf den Punkt zu bringen, Sevgi Ertekin, wenn es jemand wie ich gewesen wäre, der Ethan Conrad gejagt hätte, wäre dieser Jemand persönlich erschienen. Er hätte die Sache nicht an einen Mob von SWAT-Wiederkäuern übergeben und an der Seitenlinie gestanden wie ein
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