Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
darin eingelassenen schmutzig-weißen Stufen aus Evercrete sowie einem kryptischen Schild, auf dem das einzelne Wort Moda stand. Sie stieg schwer atmend und schweigend hinauf.
    »Diese Fußfessel«, meinte sie, als sie oben angelangt waren, und sie musste erst einmal wieder zu Atem kommen, bevor sie fortfahren konnte: »Sie haben gewusst, dass Névant eine trug.«
    »Hab nie weiter darüber nachgedacht.« Er überlegte. »Ja, vermutlich habe ich es gewusst. Das ist das übliche Prozedere.«
    »Sie hat ihn nicht an dem Versuch gehindert, Sie umzubringen.«
    »Na ja, diese Dinger reagieren nur langsam. Brauchen wahrscheinlich an die zwanzig Minuten, ihm den Fuß völlig abzutrennen. Natürlich hätte ich die Hände in dem Durcheinander darauf legen und versuchen können, sie auszulösen, aber während ich meine Zeit damit verschwendet hätte, hätte der gute alte Stéphane sein Messer in meinem Rückgrat vergraben.« Er hielt inne und ließ den Kampf noch einmal vor dem inneren Auge ablaufen. »Oder in meinem Auge.«
    »Das habe ich nicht gemeint.« In ihrer Erwiderung lag eine wilde Verzweiflung, ein Tonfall, der an seinem Unterleib zerrte und seinen Schwanz langsam anschwellen ließ.
    »Was haben Sie denn dann gemeint?«
    »Ich meine, er hat gewusst, dass das Risiko bestand, einen Fuß zu verlieren, ganz zu schweigen vom Verbluten bei einem Fluchtversuch. Und er hat trotzdem versucht, Sie umzubringen.«
    Die Frage lag ihm auf der Zunge, ob sie sich ganz sicher war, wirklich mit einem Dreizehner zusammengelebt zu haben, ich meine, einem echten? Er schluckte die Frage hinunter und ging weiter. Bescheidene, gengestutzte Pappeln sprossen in regelmäßigen Abständen aus Rechtecken, die an diesem Ende der Moda ins Pflaster geschnitten worden waren. Ihre Zweige brachen das herabfallende Licht der Straßenbeleuchtung, formten ein weiches Mosaik aus Licht und Dunkelheit.
    »Sehen Sie«, sagte er versuchsweise. »Zuallererst hatte Stéphane Névant nie geplant, irgendwohin zu fliehen. Er ist gekommen, um mich zu töten, mehr nicht. Wir genetischen Krieger sind sehr fokussiert auf solche Angelegenheiten. Wenn es ihm gelungen wäre, mich um die Ecke zu bringen, wäre er anschließend so ruhig wie eine Hausfrau aus Jesusland aufgestanden, während Sie und Battal ihn verhaftet hätten, und er wäre als glücklicher Mann ins Lager zurückgekehrt.«
    »Aber das ist so verdammt dämlich«, erregte sie sich.
    »Ja, wirklich?« Dieses Mal blieb er stehen und wandte sich ihr zu. Er merkte, wie ihm allmählich die Beherrschung entglitt, merkte, dass dies in seiner Stimme durchdrang, aber er konnte nicht sagen, wie sehr es daran lag, wie sehr es an dem Schauspiel lag, das ihm den Mund wässrig machte: Wie sie dort stand, eingehüllt in Straßenbeleuchtung und Schatten, wilde Haarmähne und breiter, beweglicher Mund, vorspringende, schwellende Brüste unter dem dunklen Pullover, die Hüften gekippt, lange Beine in den Baumwolljeans, lang trotz der Schuhe mit den flachen Sohlen, die sie trug. »Ich habe Névant ins Lager gebracht. Er war ausgebrochen, und ich habe ihn zurückgebracht, an einen Ort, den er nie mehr verlassen wird, außer so gefesselt wie heute. Er wird niemals Nachkommen zeugen oder Sex mit irgendjemandem haben, der keine bezahlte Lagerhure ist oder eine Beschäftigte von UNGLA mit einer Vorliebe für den Nervenkitzel, den ein Verdrehter in ihr auslöst. Er weiß genau, wo er innerhalb einiger tausend Quadratkilometer sterben wird. Denken Sie mal darüber nach und fragen sich dann, ob es nicht das Risiko wert wäre, einen Fuß zu verlieren – für den er, nach den Internierungsgesetzen, sowieso eine Biokarbon-Prothese bekäme. Fragen Sie sich, ob das nicht ein Preis ist, den es wert wäre zu bezahlen, wenn Sie das Licht in den Augen des Mannes zum Erlöschen brächten, der Sie eingebunkert hat.«
    »Sogar wert zu sterben?«
    »Sie vergessen: In Europa gibt es keine Todesstrafe, nicht einmal für Dreizehner.«
    »Ich meinte, Sie hätten ihn töten können.«
    Carl zuckte mit den Achseln. »Vielleicht. Sie vergessen auch, dass Névant Soldat war. Töten oder getötet werden ist so ziemlich dieselbe Beschreibung des Jobs.«
    Sie begegnete seinem Blick.
    »Hätten Sie ihn getötet? Wenn wir nicht vorher dagewesen wären?«
    Einen Moment lang starrte er sie an, dann trat er, rasch wie im Nahkampf, an sie heran und legte ihr einen Arm um die Taille. Sie verlagerte das Gewicht, beugte sich zurück und hob eine Hand mit den langen

Weitere Kostenlose Bücher