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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wiederinbesitznahme; eine Gedenktafel aus Bronze, die Landekopf und Bajonett zeigte, war in die Ziegelsteine an der Ecke eingelassen. Remixed Classics von Zequina und Reyes sprudelten aus weit offen stehenden Türen, gebräunte Haut spannte sich im Innern oder stolzierte auf der Straße rings herum einher. Es war warm und schwül, und die Kleidung beschränkte sich auf Seidenfummel über Badeanzug für die Frauen, Leinen- oder enge Lederjeans und nackten Oberkörper für die Männer. Allein von der Hautfarbe hätte Carl gut hierher gepasst – das war eines der wenigen Dinge, die ihm an Miami gefielen –, aber mit seiner Garderobe hatte er die Sache verdorben. Leinenhose, die leichtesten seiner Turnschuhe und ein T-Shirt mit der Aufschrift Bradbury Bubble ’97. Er sah aus wie ein verdammter Tourist.
    Schließlich war er die herüberflackernden Der-gehört-nicht-hierher- Blicke des hiesigen Straßenlebens müde. Er verließ die Hauptstraße und ließ sich in das Halbdunkel eines Clubs namens Picante sinken, der schäbig und halb leer war und seinen Fantasien, wie dieser Abend enden würde, kaum näher kam als das Werbeposter, das er draußen vor der Bar in Garrod Horkan 9 gesehen hatte, der karibischen Wirklichkeit. In seinem Hinterkopf zog eine schemenhafte Abfolge von Bildern einer Begegnung mit der Latina-Ärztin in einer erstklassigen Salsabar vorüber – na ja, zumindest einem sehr nahen Ersatz: Scheinwerferlicht, das auf Cocktailgläsern und guten Zähnen blitzte, gefolgt von der luftigen, schummrigen Umgebung eines weiteren, intimeren Ortes, gleichermaßen erstklassig, und dann direkt zu ihr nach Hause, wo immer das sein mochte. Frische Laken auf einem großen Bett und die Schreie einer hemmungslosen Frau in den Qualen des Orgasmus. Befriedigtes Abebben in der schattigen, zeitweiligen Behaglichkeit der nächtlichen Wohnung einer Fremden.
    Na ja, die Schatten hast du ja bereits, gab er sich selbst gegenüber mit einem säuerlichen Grinsen zu. Im Picante gab es ein paar LCLS-erhellte Tanzflächen, deren Durchmesser kaum größer war als der seines Badezimmers im Hotel, hinzu kam eine traditionelle gerade Bar sowie eine Wandbeleuchtung, die dazu angelegt schien, die Handvoll ziemlich offensichtlicher Prostituierter, die um die Tische herum hingen, rauchten und darauf warteten, zum Tanzen aufgefordert zu werden, in ein freundliches Licht zu setzen. Carl besorgte sich einen Drink – sie hatten keinen Red Stripe, also behalf er sich mit etwas, das Torero genannt wurde, und bereute es dann heftig – und stellte sich an die Bar in der Nähe der Tür. Vielleicht war es professionelle Vorsicht oder einfach nur der seltsame Trost, den ihm der Anblick der Straße draußen schenkte, das Gefühl, dass er nicht hier bleiben müsste, wenn er es nicht wollte.
    Aber er war, fast eine Stunde später, noch da, als sie hereinkam und sich neben ihn an die Bar setzte. Ein Glas auswischend, schlenderte der Barkeeper herbei.
    »Hallo. Gib mir einen Whisky-Cola. Mit viel Eis. Hallo, du!«
    Letzteres galt ihm, wie Carl bemerkte. Er sah von den Resten seines letzten Biers auf, nickte und versuchte, sie in dem Dämmerlicht einzuschätzen, zu entscheiden, ob sie bei der Arbeit war.
    »Du siehst nicht so aus, als ob du dich sehr amüsieren würdest«, bemerkte sie.
    »Wirklich?«
    »Ja. Wirklich.«
    Sie war keine Doctora aus dem Marriott – ihre Züge waren schärfer, sie war blasser, ihre Kurven waren weniger üppig und ihr Mestiza-Haar weniger gepflegt. Auch kein Ehering, nur jede Menge billiger Silberklunker an beiden Händen. Das Mieder sah so aus, als ob es ebenfalls aus Metall geformt wäre, und lag ihr bis unter die Achselhöhlen eng am Leib. Ein dunkler Kontrast hierzu war der Rock, der bis zur Mitte der Schenkel reichte, dazu kamen die unausweichlichen entstellenden High-Heels. Straffe, kaffeebraune Haut wurde zur Schau gestellt, Schenkel unter dem Rock, Schultern und die Hügel der vom Mieder hochgeschobenen Brüste, der Nabelbereich dort, wo sich die beiden Kleidungsstücke nicht so ganz trafen – bei dieser Hitze jedoch nur üblich, und es musste so oder so nichts weiter besagen. Make-up ein wenig dick aufgetragen und leicht in den Poren zu beiden Seiten der Nase zusammengebacken. Ja, sie war bei der Arbeit. Er wollte sich nichts mehr vormachen, war einen Augenblick lang unentschlossen wie ein Fallschirmspringer in der Luke – und ließ dann los.
    »Bin gerade reingekommen«, sagte er. »Geschäftsreise. Immer noch was

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