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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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T-Shirt, sah auf die Wunde hinab und zuckte mit den Schultern. War nicht sehr sinnvoll, sich anzuziehen. Er ließ das Shirt wieder fällen und ging, nach wie vor nackt bis zur Taille, zur Tür.
    Die Hausärztin war eine sympathische junge Latina, die ihr Praktikum gut an einem innerstädtischen Krankenhaus der Republik absolviert haben mochte, weil sie kaum eine ihrer gepflegten Brauen hob, als er ihr die Messerwunde zeigte.
    »Lang in Miami gewesen?«, fragte sie ihn.
    Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Ist nicht hier passiert. Bin gerade angekommen.«
    »Ah, ja.« Aber sie erwiderte das Lächeln nicht. Sie stellte sich hinter ihn, tastete mit langen, kühlen Fingern den Bereich um die Wunde ab und prüfte die Verklebung. Alles nicht eben besonders sanft. »Also sind Sie einer unserer erlauchten Militärberater?«
    Er wechselte zu Englisch. »Was, mit diesem Akzent?«
    Ein winziges Stück zogen sich ihre Mundwinkel nach oben, als sie sich wieder vor ihn stellte. »Sie sind Brite? Tut mir leid, ich habe gedacht…«
    »Schon gut. Ich hasse diese Arschlöcher auch.« Dass er letztes Jahr einen in einer Bar in Caracas getötet hatte, ließ er unerwähnt. Noch, jedenfalls. Auf Spanisch fuhr er fort: »Sie haben eine Familie in Venezuela?«
    »Kolumbien. Aber das ist da unten die gleiche Geschichte, nur dass es um Koka geht, nicht um Öl. Und das schon länger. Es ist schon so, seit meine Großeltern raus sind, und es wird sich nicht ändern.« Sie ging zu ihrer Tasche, die sie auf dem Tisch abgestellt hatte, und fischte ein Hand-Ultraschallgerät heraus. »Sie würden einiges von dem nicht glauben, was mir meine Vettern erzählen.«
    Carl dachte an die Uniformen, die er vor einigen Wochen auf den Straßen von Bogota gesehen hatte. Er war Zeuge gewesen, wie jemand mit dem Schlagstock verprügelt worden war.
    »Doch, ich würde Ihnen glauben«, erwiderte er.
    Sie kniete vor ihm und berührte erneut die Wunde, jetzt etwas sanfter. Unmöglich, aber ihre Finger erschienen wärmer. Sie ließ das UV-Gerät mehrmals hin und her laufen und erhob sich dann wieder. Dabei erhaschte er einen Schwall ihres Duftes. Zufällig begegneten sich ihre Blicke, und sie erkannte, dass er sie gerochen hatte. Es folgte ein kurzer Moment des Aufflammens, und dann zog sie sich zu ihrer Tasche zurück. Sie grub Verbände hervor und räusperte sich, hob angesichts dessen, was gerade geschehen war, die Brauen über den leicht schräg stehenden Augen.
    »Ich kann nicht viel für Sie tun, was nicht bereits getan worden ist«, sagte sie ein wenig hastig. »Wer immer Sie da zusammengeklebt hat, verstand sein Handwerk. Gute Arbeit, sollte ziemlich rasch heilen. Haben sie Sie eingesprüht?«
    »Ja.«
    »Wollen Sie etwas gegen die Schmerzen?«
    »Die Schmerzen sind unter Kontrolle.«
    »Na schön. Ich verbinde Sie wieder, wenn Sie möchten, es sei denn, Sie wollen jetzt duschen.«
    »Habe ich gerade getan.«
    »Okay, in diesem Fall kann ich gehen…«
    »Würden Sie mit mir zu Abend essen wollen?«
    Da lächelte sie richtig.
    »Ich bin verheiratet«, sagte sie und hielt die Hand mit dem einfachen Goldring hoch. »Das tu ich nicht.«
    »Oh, hey! Tut mir leid. Ist mir nicht aufgefallen«, log er.
    »Kein Problem.« Sie lächelte erneut, aber mit einer Spur von Unglauben. Ihrem Tonfall nach zu schließen, hatte sie sich nicht zum Narren halten lassen. »Wollen Sie ganz bestimmt keine Schmerzmittel? Ich berechne Ihnen das minimale Honorar, darin sind sie standardmäßig enthalten.«
    »Nein, ist schon gut«, sagte er.
    Also nahm sie ihre Tasche, schenkte ihm noch einmal ein Lächeln und verließ ihn, sodass er sich anziehen konnte.
     
    Er ging aus.
    Es war vielleicht nicht sonderlich schlau, aber die gefühlsmäßige Erinnerung an die unerreichbare Ärztin trieb ihn dazu. Ihre Finger auf ihm, ihr Duft, ihre Stimme. Wie sie vor ihm gekniet hatte.
    Ein Autotaxi brachte ihn nach Osten, weg vom Flughafen. Es fuhr über breite Straßen mit vielen Spuren. Die meisten Läden hatten noch geöffnet – strahlend helles LCLS-Licht an den Frontseiten lud zum Betreten ein und wirkte dennoch merkwürdig fern, wie die Lichter einer Stadt, die man vom Meer aus betrachtete. Vermutlich war es das Kodein, das etwas im Netz ausspielte. Eine Weile lang war er damit zufrieden, es an sich vorbeiziehen zu sehen. Als dann der Verkehr dichter wurde, stieg er hier und da aus, wo die Lichter am hellsten erschienen. Ein Boulevard, benannt nach einem kubanischen Helden der

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