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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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aus ihrer Handtasche geholt und auch auf die gleiche Weise bei ihm benutzt. Es hatte ein kühler, beruhigender Trost darin gelegen, ihr dabei zuzusehen. Es war das Gefühl gewesen, bei ihr – idiotisches Grinsen – in guten Händen zu sein. Jetzt fühlte sich derselbe Idiotenteil seiner selbst von diesem Eingeständnis eines früheren Irrtums verraten, fast, als beschuldige sie ihn, dass er selbst etwas damit zu habe.
    »Na ja«, meinte er versuchsweise. »Ich meine, kannst du nicht… Du weißt schon.«
    Ihre Schultern bebten. »Wir sind hier in Florida. Ist jetzt seit Jahrzehnten hier unten illegal. Man muss zur Union oder zur Rimseite hinüber, und dafür habe ich nicht die nötigen Mittel auf meinem Medicode. Ich könnte alles verkaufen, was ich besitze, und hätte dennoch nicht genug.«
    »Und hier ist niemand, der…«
    »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Es ist illegal, Mann, verdammt!«
    Ein wenig professionelle Kompetenz, ein Gefühl, auf vertrautem Grund und Boden zu stehen, baute sich in ihm auf. »Na ja, legal hat nichts damit zu tun. Nicht mit dem, was ich meinte. Es gibt Orte, wohin man gehen kann.«
    Sie wandte ihm das Gesicht zu und wischte sich gleichzeitig mit dem Handrücken die Tränen ab, wobei sie Streifen zurückließ, die glänzten, als das eindringende Straßenlicht darauf fiel. Sie schnaubte. »Klar, Orte, wohin du vielleicht gehen kannst. Orte, wohin die Tochter des Gouverneurs gehen kann. Du glaubst, das Geld dazu hätte ich? Oder vielleicht denkst du, ich wollte das Risiko eines Besuchs bei einer Auskratzer-Hinterhof-Bar eingehen und nach meiner Heimkehr verbluten oder wegen einer Enzymunverträglichkeit zusammenbrechen, weil sie zu billig sind, um die Spezifikationen richtig zu erkennen? Wo kommst du überhaupt her, Mann? Hier krank zu werden, kostet ’ne Stange Geld!«
    Es lag ihm auf der Zunge, ihr zu sagen, sie solle sich verpissen. Es war nicht sein Problem, für diesen Scheiß hatte er nicht unterschrieben. Stattdessen sah er wiederum Gabys Kopf auseinanderfliegen, und er hörte sich wie aus weiter Ferne leise fragen: »Wie viel brauchst du?«
    Scheiß drauf. Er ließ seine wachsende Gereiztheit über das Mädchen, über sich selbst, eine andere Richtung nehmen, lenkte sie nach Norden und Osten. Soll die verdammte UNGLA doch zur Abwechslung mal für etwas zahlen, das es wirklich wert ist. Nicht, dass sie es sich nicht leisten könnten. Soll dieser Scheißkerl di Palma die Sache doch beanstanden, wenn er sich das traut, verdammt!
    Nachdem er sie beruhigt, ihre Tränen zum Versiegen gebracht und ihre Proteste der Dankbarkeit abgewehrt hatte, bevor sie anfingen, hohl zu klingen, erklärte er, dass er einen Terminal benötigte, um die Summe auf Karten zu laden, die sie benutzen könnte. Das bedeutete, zum Hotel zurückzukehren. Bei diesen Worten umklammerte sie seine Hand, und er vermutete, dass sie fürchtete, er werde sich die Sache anders überlegen, wenn sie ihn aus den Augen ließe oder zumindest aus ihrer näheren Umgebung. Sie kannte einen Terminal ein paar Blocks entfernt, der sicher war. Einer ihrer Kunden aus der Vorstadt benutzte ihn hin und wieder. Sie konnte ihm zeigen, wo er war, gleich jetzt, sie müsse sich nur anziehen, es würde nur einen Moment dauern.
    Die Straßen draußen waren ziemlich verödet, die Nachbarschaft war nicht gerade vom Feinsten, lockere Bebauung, und zu dieser Stunde waren die Leute entweder daheim oder in der City. Vor allen Geschäften waren eiserne Jalousien herabgelassen, und grellgelbe Aufkleber wiesen auf die Anti-Einbruchs-Ladungen hin, die in dem Metall lauerten. Einige Bars hatten immer noch geöffnet, und die trüben Neonlichter über den Ecktüren wirkten wie schwächliche urbane Leuchttürme. Vor einer Bar drückten sich hoffnungsfrohe Kriminelle gegen Mauern, kauerten auf geparkten Fahrzeugen und starrten die paar Passanten gefährlich an. Carl spürte das Netz sanft, suggestiv, sich einschalten. Er ließ es unbeachtet und mied stattdessen die Blicke, legte dem Mädchen einen Arm um die Schulter und schritt etwas schneller aus. Er hörte die jungen Männer in einem schwerfälligen, geheimen spanglischen Dialekt über ihn reden, während sie ihm folgten. Man brauchte nicht viel Einbildungskraft, um sich zu denken, was da gesprochen wurde: Verdammte Touristen, verdammte Ausländer, ficken unsere Frauen. Die uralte Klage. Er konnte es ihnen wirklich nicht übel nehmen. Dann bogen sie um eine Ecke und hatten sie abgeschüttelt,

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