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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ordnung aufrechtzuerhalten? Männer tun das für mich, gewöhnliche Männer.«
    Er winkte, aber es war eine schlaffe Bewegung, ein Abwenden zu den riesigen Mauern. Sein Ärger hatte sich zu etwas eher Allgemeinem und Erschöpfterem gewandelt.
    »Sieh dich um! Dies war einmal eine erdbebensichere Stadt, erbaut zu Ehren der Götter und um das Leben mit Spielen und Festen zu feiern. Dann kamen die Spanier und rissen sie wegen der Steine nieder, aus denen sie Kirchen bauten, die bei jedem kleinen Beben auseinander fielen. Sie schlachteten so viele meines Volkes im Kampf um die Eroberung dieses Orts ab, dass der Grund mit ihren Leichen gepflastert war und die Kondore sich wochenlang an den Überresten gemästet haben. Die Spanier setzten acht eben jener Kondore in das Wappenschild der Stadt, um die Tatsache dieser verrottenden Leichen zu feiern. Überall rissen ihre Soldaten Säuglinge von den Brüsten ihrer Mütter und warfen sie, noch immer lebend, ihren Kampfhunden vor oder schwangen sie, festgehalten an den Fersen, gegen Felsen, um ihnen die Schädel einzuschlagen. Du musst mir nicht sagen, was sie hinterher ihren Müttern antaten. Das waren keine Dämonen, und es waren auch keine genetisch engineerten Anomalitäten wie du. Das waren Männer. Gewöhnliche Männer. Wir – mein Volk – erfanden die Pistacos, um die Taten dieser gewöhnlichen Männer zu erklären, und wir erfänden weiterhin eben jene Geschichten, um vor uns selbst die Wahrheit zu verstecken, dass es gewöhnliche Männer sind, immer, die sich wie Dämonen benehmen, wenn sie anders nicht bekommen können, was sie haben wollen. Ich streue keine Gerüchte von Pistacos, schwarzer Mann, weil die Lüge der Pistacos schon in uns allen steckt, und sie bleibt immer und immer wieder auf dem Altiplano lebendig, auch ohne Ermutigung meinerseits.«
    Carl warf einen Blick zurück auf die beiden Gorillas und den Rangerover. Sie standen wieder lässig da, die Hände bescheiden auf Hüfthöhe vor sich verschränkt, ihn eifrig übersehend. Ihn überkam der Gedanke, dass sie vielleicht auch einfach nur versuchten, Sevgi Ertekin zu zwingen, den Blick zu senken. Das war auf diese Entfernung schwer zu sagen.
    »Also«, sagte er heiter, »diese beiden Kampfhunde da haben viel spanisches Blut in sich?«
    Bambaren zog die Luft durch die zusammengebissenen Zähne ein. Aber er würde nicht beißen, nicht jetzt. Das leise Zischen war das Geräusch der Selbstbeherrschung.
    »Hast du vor, den Nachmittag damit zu verbringen, mich zu beleidigen, schwarzer Mann?«
    »Ich habe vor, Tayta, einige klare Antworten aus dir herauszuholen. Und eine Ansprache über Gräueltaten der Vergangenheit wird mich nicht daran hindern.«
    »Du tust…«
    »Ich tue deinen sorgfaltig kultivierten Sinn für rassistische Entrüstung ab, ja, das stimmt. Du bist ein verdammter Krimineller, Manco. Du redest wie ein Poet, aber deine Gorillas sind ein Inbegriff für die Brutalität von Cuzco bis Copacabana, und die Geschichten, die man sich über dich erzählt, wie du auf der Straße aufgetaucht bist, veranlassen mich zum Glauben, dass du wahrscheinlich ein persönliches Interesse daran nimmst, sie so zu lassen. Nicht anders als jene spanischen Kampfhunde, wegen denen du so entsetzlich empfindlich bist.«
    »Ich muss von meinen Männer respektiert werden.«
    »Ja, wie gesagt. Nicht unähnlich den Hunden. Ihr Menschen seid einfach so verdammt vorhersagbar.«
    Unter der Sonnenbrille verzog sich Bambarens Mund zu einem hässlichen, höhnischen Grinsen. »Was weißt du denn davon, schwarzer Mann? Was weißt du vom Leben der Menschen in den Favelas? Was weißt du vom Kampf ums Überleben? Du bist in irgendeiner Aufzuchtstation vom Projekt Gesetzeshüter in Watte gepackt und großgezogen worden, gehegt, gepflegt, versorgt mit allen erdenklichen…«
    »Brite. Ich bin Brite, Manco. Wir hatten kein Projekt Gesetzeshüter.«
    »Ist doch gleichgültig. Du.« Das Gesicht des familia-Paten zuckte. »Névant. Ihr alle. Ihr alle wurdet gleich behandelt. Keine Kosten gescheut, keine Erziehung war zu außergewöhnlich. Ihr alle wurdet in einen Ort hineingeboren, der kaum weniger geschützt war als die gemieteten Bäuche, in denen ihr groß geworden seid, und ihr habt die herangeschaffte, bezahlte Milch und Fürsorglichkeit der Mütter eingesogen, die zu arm waren, sich selbst Kinder leisten zu können…«
    »Fick dich doch ins Knie, Manco!«
    Aber die Worte waren ihm zu rasch über die Lippen gekommen, um wie eine

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