Skorpion
Waffen, aber das war auch nicht nötig. Haltung und ausdruckslose Bedrohung, unterstrichen von reflektierenden Sonnenbrillen, waren alte südamerikanische Schule. Carl hatte dasselbe schon überall zu Gesicht bekommen, auf den Straßen von Buenos Aires bis Bogota. Die Spiegelflächen, die Bambaren und seine Gorillas anstelle von Augen trugen, sprachen von derselben exklusiven Macht wie die glänzenden, bombensicheren Flanken des Rangerovers. Man sah sich als Spiegelbild in den Oberflächen, ausgeschlossen und für die Augen im Innern ohne jegliche Bedeutung.
Carl stieg aus dem Jeep.
»Ich komme mit«, meinte Ertekin rasch.
»Wie du willst. Es wird sowieso alles auf Quechua ablaufen.«
Er schritt zu dem Rangerover hinüber, wobei er einen unnötigen Anflug des Netzes unterdrückte. Er hatte vor, Bambaren unter Druck zu setzen, aber er glaubte nicht, dass es zu einem Kampf käme, wie gern er auch die dunklen Spiegelgläser zerschlagen und die Splitter in die Augen dahinter getrieben, dem größeren der beiden Gorillas ein Bein ausgerissen hätte und…
Wow, Carl! Jetzt bleiben wir doch mal auf dem Teppich, ja?
Er erreichte den Paten der familia und blieb stehen, knapp außer Reichweite.
»Schwarzer Mann.« Manco ruckte mit dem Kinn. »Hübsche Jacke hast du da an. Jesusland?«
Carl nickte. »Staatsgefängnis Süd-Florida.«
»Hab ich mir gedacht. Hab ’n Cousin, der hatte genau so eine.«
Carl legte Finger und Daumen an die Ärmelaufschläge der S(t)igma-Jacke. »Ja, wird jetzt bald groß in Mode kommen.«
»Und dabei habe ich angenommen«, meinte der familia-Pate weltmännisch, »dass es das in Jesusland bereits ist. Höchste Häftlingsquote auf dem Planeten, heißt es. Wem gehören dann also diese Titten und dieser Arsch?«
Carl drehte sich beiläufig um und entdeckte, dass Ertekin ebenfalls ausgestiegen, ihm jedoch nicht gefolgt war. Sie lehnte sich gerade neben dem COLIN-Zeichen auf den Jeep und steckte die Hände in die Taschen. Die Bewegung schob ihre Jacke zur Seite und zeigte den Riemen ihres Schulterholsters. Sie hatte die Sonnenbrille aufgesetzt.
Er unterdrückte ein Grinsen. »Das sind nicht Titten und Arsch, das ist eine Freundin.«
»Ein Dreizehner mit Freunden.« Bambarens Brauen zeigten sich über dem Rand der Sonnenbrille. »Muss dir doch gegen den Strich gehen.«
»Wir passen uns den Umständen an. Kleiner Spaziergang gefällig?«
Manco Bambaren nickte seinen Wächtern zu, und sie entspannten sich und öffneten den Raum um ihren Tayta. Er entfernte sich einige Schritte vom Rangerover in Richtung auf die Steinmauern. Carl folgte ihm. Er sah den familia-Paten hinter den Gläsern zur Seite schielen, hinüber zum Jeep und zu Ertekins beiläufiger Wachsamkeit.
»Also arbeitest du jetzt für COLIN?«
»Mit.« Carl grinste. »Ich arbeite mit COLIN. Ist ein gemeinsames Unternehmen. Das solltest du verstehen.«
»Soll heißen?«
»Soll heißen, du hast eine Nischenkarriere aus einer Koexistenz mit der Initiative gemacht, und aus Gretas Worten zu schließen, ist das eine blühende Beziehung.«
Bambaren schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass Greta Jurgens meine Geschäftsverbindungen mit dir diskutiert hat.«
»Nein, aber sie hat versucht, mir damit zu drohen. Womit sie ausdrücken wollte, dass du heutzutage dickere Freunde hast und du sie enger an der Kandare hältst.«
»Und darüber willst du reden?«
»Nein. Ich möchte über Stéphane Névant reden.«
»Névant?« Ein Stirnrunzeln zeigte sich auf dem Gesicht des Tayta. »Was ist mit ihm?«
»Vor drei Jahren hat er versucht, euer Volk hier oben zu einem Bündnis zu überreden. Ich möchte wissen, wie weit das gediehen ist.«
Bambaren blieb stehen und sah zu ihm auf. Carl hatte vergessen, wie klein und stämmig er war. Die augenfällige Macht der Persönlichkeit des familia-Paten ließ die körperlichen Attribute völlig nebensächlich erscheinen.
»Wie weit es gediehen ist? Schwarzer Mann, ich habe Névant an dich übergeben. Wie weit soll das deiner Ansicht nach gediehen sein?«
»Du hast ihn mir übergeben, weil das weniger Probleme bedeutete, als wenn ich deine Geschäfte in den Camps unterbunden hätte. Was nicht bedeutet, dass er dir nicht etwas von Wert angeboten hätte.«
Der Tayta setzte seine Sonnenbrille ab. Im harten Glanz des Himmels über dem Altiplano wurden seine Augen kaum schmaler. »Stéphane Névant war hier oben und kämpfte um sein erbärmliches Leben als Verdrehter. Er hatte keine Freunde und keine
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