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Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Bas
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Pulver zermahlen werden. Sie benutzen es zur Jagd. Das Gift lähmt innerhalb kürzester Zeit das zentrale Nervensystem des Tiers und tötet es sogar. Nach der Verabreichung dauert es einen Moment, bis es seine Wirkung entfaltet. Doch das Beste daran ist, dass der Pilz nicht die geringste Spur im Organismus hinterlässt. Onkel Patxi kannte sich aus, er hatte es in Guatemala schon einmal eingesetzt; bei einem aufmüpfigen Politiker, der nicht mit den Interessen der United Fruit Company übereinstimmte.
    Die Autopsie würde nichts ergeben, und niemand würde an eine Vergiftung denken, zumal die beiden Vorkoster gesund und munter wären.
    Francos Tod würde als plötzliches Ableben in die Geschichte eingehen, verursacht von einem unerklärlichen Herzstillstand.
    Onkel Patxi hatte aus Guatemala ein paar giftige Pilze und das Gegenmittel mitgebracht, das kurioserweise ein anderer Pilz derselben Familie war.
    Um mich zu beruhigen, nahm Onkel Patxi vor meinen Augen von dem Gift, wartete ganze acht Minuten und schluckte dann das Gegengift.
    Beklommen probierte ich es kurze Zeit später selbst aus. Nichts war zu merken; mein Körper zeigte keinerlei Reaktion, weder auf die Einnahme des Gifts noch auf die des Gegengifts.
    12
    F ranco hatte beschlossen, am darauf folgenden Donnerstag, dem 16. August 1962, im Aranzadi-Hof zu Mittag zu essen.
    Die Verschwörer trafen sich am Abend vorher bei Onkel Patxi in Tolosa, der unverheiratet war und allein lebte. Eigentlich konnte nichts schief gehen, und ich war nur schwer zu enttarnen, doch für alle Fälle hatten sie mir Instruktionen und Kontaktadressen für die Flucht nach Frankreich gegeben.
    Wir hatten bereits alles besprochen, und das Treffen war mehr ein symbolischer Akt: ein Toast der sechs Ver schwörer, um mir Glück zu wünschen und auf das Gelingen des Tyrannenmords.
    Am nächsten Morgen kam wie immer der Dienstwagen, der meinen Vater und mich in Alzo abholte, um uns direkt zu dem Gasthof in Villabona zu bringen.
    Franco hatte sich für zwei Uhr mittags angekündigt.
    Um Viertel nach eins probierte mein Vater die Gerichte für den Caudillo: marmitako, Thunfischeintopf, die berühmten kleinen Tintenfische im eigenen Saft (die man ihm später auf denselben Tellern im Wasserbad aufwärmen würde), eine Schale Milchreis und eine Flasche Wein, ein Reserva Marqués de Riscal.
    Pünktlich um zwei erschien Franco mit seiner kleinen Gefolgschaft, die sich abgesehen von der Leibgarde auf drei weitere Tischgenossen beschränkte: seinen anhänglichen Neffen Pacón, Nicolás Lasarte (den Bürgermeister von San Sebastián) und den Zivilgouverneur, dessen Namen ich nicht kenne oder nicht erinnere.
    Sobald die hohen Herrschaften Platz genommen hatten, betrat ich zitternd wie Espenlaub die Gaststube.
    Ich probierte den Wein und danach den Eintopf.
    Ich erinnere mich, dass ich noch dachte, dass der unvergleichliche kantabrische Thunfisch saftig und bei geringer Hitze genau richtig gegart war. Es ist eigenartig, was für verrückte Gedanken einem in Momenten höchster nervlicher Anspannung durch den Kopf schießen.
    In den Pausen zwischen den einzelnen Gängen blieb ich die ganze Zeit in der Gaststube und wartete darauf, dass die Tintenfische gebracht würden.
    Franco trank ein Drittel von seinem Wein und aß nicht mehr als fünf Löffel von dem köstlichen Fischsud, vo n d em sich Pacón, der stets einen guten Appetit hatte, eine zweite Portion nahm.
    Ich hatte rasendes Herzklopfen, und der zweite Gang wurde aufgetragen.
    Man stellte die dampfende Tonschale mit den acht kleinen Tintenfischen, die jeweils nicht größer waren als ein Daumen und in einer dickflüssigen schwarzen Soße schwammen, vor ihn hin, dazu gab es ein Stück frittiertes Brot.
    Das Gift in Form einer winzigen gepressten Kugel war in meiner rechten Hand verborgen, zwischen dem Ringfinger und dem kleinen Finger.
    Es kam mir so vor, als beobachte mich der Diktator mit besonderer Aufmerksamkeit, als ich meine Hand mit der Gabel dem Teller näherte, so als würde er etwas Ungewöhnliches ahnen; ich dachte, er würde gleich mein Herz pochen hören.
    Ich war kurz davor, die Nerven zu verlieren, und senkte den Blick; ich hielt die Hand dicht über den Teller, rieb einen Finger gegen den anderen, damit das Kügelchen nicht am Schweiß haften blieb, und es fiel herunter und tauchte augenblicklich in die gebundene, aber flüssige Soße ein.
    Nicht einmal ein Adler hätte das Manöver registriert.
    In der Wärme löste sich das Gift

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