Slant
die Kundenbeobachtungsdaten sind die vollständigsten und kritischsten, die verfügbar sind.
In sehr realer Weise ist dies für Workers Inc. das Allerheiligste eines Tempels, in dem die körperlichen und mentalen Lebensdaten von Millionen in lebende, ständig aktualisierte Darstellungen von immenser Macht und Feinheit eingespeist werden. Martin war noch nie zuvor in einem solchen Zentrum.
»Wir bekommen die Inputs von Hausmonitoren, Agenturmedizinern, Therapeuten, städtischen und staatlichen Verwaltungen«, erklärt Carrilund, als sie das abgedunkelte Rund mit den Anzeigen betreten. »Sämtliche Diagnosedaten aus den Häusern, alle Vorgänge, Angestelltenakten und -evaluierungen und Tagebucheinträge von unseren freiwilligen Testklienten kommen herein und werden verarbeitet. Niemand kann individuelle Personen mit den Daten in Beziehung setzen; das ist verboten. Das ganze System wird durch vier INDAs geschützt, die die Daten mit einer codierten Sperre versehen sollen, wenn irgendjemand versucht, sich Zugang zu verschaffen. Wenn das geschieht, können die Daten nur dann wieder aufgeschlossen werden, wenn die höchsten Führungskräfte von Workers Inc. persönlich anwesend sind – das sind weltweit etwa dreißig. Wir hatten es noch nie mit einem erfolgreichen Hacken zu tun. Es ist uns nicht einmal gelungen, das System durch ein Test-Hacken zu stören.«
Carrilund bemerkt sein schwaches Lächeln und hebt eine Augenbraue. »Berühmte letzte Worte, oder was denken Sie?«
Martin verschränkt die Arme und blickt sich im dunklen, kreisförmigen Raum um. »Nein, ich hatte an etwas ganz anderes gedacht… Zu einer Beurteilung Ihrer Sicherheitsvorkehrungen fühle ich mich nicht in der Lage.«
»Wir haben eine Belohnung in Höhe von zwei Millionen Dollar ausgesetzt, für den Fall, dass es jemandem gelingt, unseren ersten Firewall zu durchdringen«, sagt Carrilund mit jenem spröden Stolz, den Martin schon oft bei Menschen erlebt hat, die an beträchtlichen Teamleistungen beteiligt sind. »Dahinter stehen neun weitere Firewalls, von denen jeder genauso schwierig zu knacken ist. Bisher hat sich niemand die Belohnung verdient. Experten haben uns versichert, dass wir besser als die nationale Verteidigung sind.«
Wenn er nur über ein Zehntel dieser Macht verfügen würde, könnte Martin die Wissenschaft der menschlichen Sozialsysteme einen enormen Schritt weiterbringen… Doch aus der Perspektive der großen Firmen ist er nicht mehr als ein Hiwi, ein wissenschaftlicher Einzelgänger, der nicht zum Team gehört.
»Was ist mit diesen Datendisplays? Wer hat hier Zugang?«
»Nur Führungskräfte und leitende Angestellte, die genauestens von unserem Aufsichtsstab überwacht werden. Die Daten werden für vielfältige Zwecke verwendet, aber wir könnten die Daten niemals mit einem Individuum in Zusammenhang bringen, selbst wenn es um Leben und Tod ginge.«
»Ich verstehe. Sie haben die Daten nie für Forschungszwecke benutzt?«
Carrilund wirft ihm einen Seitenblick zu und kneift amüsiert die Augen zusammen. »Wir haben einen INDA und eine Gruppe von vierzehn Anwälten, die entscheiden, wozu wir diese Daten benutzen. Sie haben noch nie ihr Einverständnis für nicht zweckgebundene Grundlagenforschungen gegeben.«
»Schade«, sagt Martin.
»Hm«, macht Carrilund und lächelt schwach. »Dies ist außerdem der einzige Raum, in dem wir Zugang zu den Daten haben. Er ist groß genug, um etwa dreißig Leute unterzubringen.«
»Alle Führungskräfte auf einmal, falls es irgendwann nötig werden sollte.«
»Genau.« Carrilund fordert zwei Sitzgelegenheiten an. Sie erheben sich aus dem blitzsauberen schwarzen Fußboden und sind nicht mehr als einfache, gepolsterte Wölbungen. Martin setzt sich und lehnt sich zurück und Carrilund nimmt neben ihm Platz. Er beobachtet ihre Bewegungen mit etwas mehr als rein professionellem Interesse. Die Kombination von Macht und anmutiger Gesundheit mit der Würde ihres mittleren Alters ist für ihn eine angenehme Ablenkung vom Thema. Eine wehmütige Stimme im Hintergrund seines Bewusstseins fragt, ob inzwischen auch Carol, seine Ex-Frau, mit einer solchen Anmut und Macht auftritt.
»Vor unserem Treffen mit dem Aufsichtsstab und anderen Experten möchte ich Ihnen zeigen, was wir in den vergangenen zwei Monaten beobachtet haben. Können Sie soziometrische Daten lesen? Wir benutzen die standardmäßigen Icons und Indikatoren.«
»Dann werde ich wohl keine Probleme haben.«
Carrilund lehnt den Kopf
Weitere Kostenlose Bücher