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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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zurück. Die Projektoren überall im Raum haben sich auf sie konzentriert und liefern ihren Augen und Ohren nun triangulierte Datenpakete aus Licht und Ton. Der Raum nimmt die leere abgestufte blaue Farbe eines wolkenlosen Wüstenhimmels an und ein Null-Summen umgibt sie. Die Einspeisung überlagert anfangs alle anderen Bilder oder Töne und Martin erlebt einen irritierenden Moment, als er die schwebende Kontrollkonsole über seinen Händen und die orientierungslose Leere betrachtet und das Gefühl hat, er würde in das Bewusstsein eines anderen Menschen eintreten, eine Reise, die er seit vier Jahren nicht mehr unternommen hat…
    Dann dringt Carrilunds Stimme klar und deutlich zu ihm und verschafft ihm einen festen Anhaltspunkt. »Vergessen Sie nicht, dass unsere Klienten sich freiwillig für das hier gemeldet haben«, sagt sie.
    Seine vage Empfindung schwindelerregender Schwerelosigkeit verflüchtigt sich. »An ihrer Stelle hätte ich ebenfalls zugestimmt.«
    »Mr. Burke, Ihr Geist sollte frei und klar sein. Wir können hier keine unbedachten moralischen Werturteile gebrauchen.«
    »Natürlich«, sagt Martin mit leichter Verärgerung.
    »Sie waren schon einmal im Bewusstsein einer anderen Person. Jetzt schwimmen wir flussaufwärts ins simulierte Herz einer Gemeinschaft. Ich bin überzeugt, dass Sie diese Gelegenheit zu schätzen wissen.«
    Martin überlegt, ob er gegen ihre gönnerhafte Art protestieren soll, aber es spielt letztlich keine Rolle. Hier ist es tatsächlich so, als würden sie an den Gestaden eines unbekannten Meeres stehen, und seine Skrupel und Erinnerungsfetzen sind bald verflogen. »Ich bin bereit«, sagt er.
    »Die Gemeinschaft leidet unter einem seltsamen und möglicherweise gefährlichen Fieber«, sagt Carrilund. »Ich will Ihnen jetzt zeigen, was wir erfahren haben.«
    Das Blau wechselt zu Grasgrün. Eine Ebene erstreckt sich bis in die Unendlichkeit. Sträucher und Bäume wachsen aus dem Boden. Sie werden zu einem lockeren Wald mit geschlossenem Blätterdach und Unterholz. Martin berührt hier und dort die virtuellen Kontrollen und bald hat er sich mit den nicht-taktilen Grundlagen vertraut gemacht.
    »Hier ist die Schwelle«, sagt Carrilund. Ihre Stimme dringt direkt in sein rechtes Ohr; sie spricht leise, als würde sie gar nicht atmen. Es ist ein verführerischer Effekt. »Wir werden mit Diagrammen und Graphen beginnen, bis wir ein Gefühl für den Maßstab und die Einzelheiten gewonnen haben. Dann dringen wir etwas tiefer vor. All die Bäume und Sträucher hier…«
    »Ereignisgraphen, Smithfield-Tri-Chromata. Jedes Gewächs repräsentiert tausend Klienten«, sagt Martin.
    »Richtig. Jetzt können die Koordinaten für unterschiedliche Felder dargestellt werden, wenn Sie möchten.«
    Martin wählt Icons für grobe Kategorien aus, worauf sich der Wald in Männlich und Weiblich und Sonstige aufteilt – letztere Geschlechtstransformierte, wie er vermutet. Dann wird die sexuelle Orientierung dargestellt. Dieses Display arbeitet mit fünfzehn verschiedenen Orientierungen, einige davon Negativanpassungen, die in der westlichen Welt gewöhnlich therapiert werden – und selbst in diesem liberalen Zeitalter nicht anerkannt sind. Damit stellt sich natürlich die Frage nach der Genauigkeit dieser Daten und der Ehrlichkeit der berücksichtigten Personen.
    Erstaunt bemerkt er, dass die Anzahl der Individuen, die diesen >ungesetzlichen< Orientierungen zugeordnet sind, viel höher ist als die Werte, mit denen er vertraut ist.
    »Die Stats zur sexuellen Orientierung basieren auf Umfrageergebnissen, die mit den Abfragen von Unterhaltungsangeboten korreliert wurden. Damit haben sie in den extremeren Teilfeldern eine maximale Zuverlässigkeit von achtzig Prozent«, sagt Carrilund. Er erkennt, dass sie ihre Anzeige an seine Kontrolle gekoppelt hat; sie sieht, was er sieht, und sie ist gut darin zu erraten, wie er reagieren könnte und was er denkt. Warum hat sie mich dann hergeholt? Ich dachte, ich sollte für einige Überraschungen sorgen!
    »Die Zahlen, die ein mögliches abweichendes Verhalten darstellen, sind ungewöhnlich groß«, sagt er. »Pädophile, Hyper-Machos, Omniphilie mit destruktivem Kontext… Ich hätte nicht gedacht, dass die Werte so hoch sind.«
    »Und sie steigen weiter. Einige Werte nähern sich Bereichen, die wir nur in einer Gesellschaft ohne effektive Therapien erwarten würden. Seit 2012 waren die Zahlen nicht mehr so hoch. Ein offensichtliches Anzeichen der Gefahr, finden Sie

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