Slant
Geräusch zuckt sie zusammen, das Klicken des Hausmonitors, wenn er die Zimmer der Wohnung überwacht, die Beamten in der Küche oder im Wohnzimmer. Tränen tropfen auf das Kissen und hinterlassen graue Ovale, die sich langsam ausbreiten. Sie glaubt Minstrels Hände zu sehen; sie schweben über dem Bett, wie die Hände von Jesus in Gethsemane, mit langen, bittenden Fingern.
Neben dem Bett wird es hell. Mary Choy tritt ins Zimmer. Alice blickt auf. Mary lächelt nicht; das wäre unangebracht, was die Frau genau zu wissen scheint. Sie geht am Kopfende des Bettes in die Knie.
»Die Medos sagen, dass Sie in ein oder zwei Tagen wieder auf den Beinen sind«, teilt Mary ihr mit.
Alice nickt. Sie glaubt es nicht, aber es klingt besser als die Nachricht, dass es ihr noch schlechter gehen wird. Noch besser wäre die Nachricht, dass sie sterben wird.
»Wissen Sie?«, fragt Alice und schluckt. Ihre Kehle schmerzt von der Anstrengung, nicht zu stöhnen oder zu schreien. »Was geschehen ist? Mit uns?«
Mary schüttelt den Kopf. »Wir stehen vor einem ziemlichen Chaos.«
»Es ist, weil ich bei Crest war, nicht wahr?«
»Es scheint so«, sagt Mary.
»Habe ich etwas Falsches getan?«
»Sie wurden in etwas verstrickt. Viele seltsame Dinge geschehen.« Mary legt einen Finger an die geschürzten Lippen, als sie sich erinnert. »Ich habe eine Botschaft für Sie, von jemandem namens Twist. Ihr Freund Tim hat sie an mich weitergegeben.«
Alice liest die Nachricht auf Marys Pad.
Bin mit nem Typen abgehauen. Konnte die Party nicht mehr ausstehen. Erzähl mir, was alles passiert ist!
- Twist
Sie gibt Mary das Pad zurück. »Twist ist nur ein kleines Mädchen«, sagt sie leise. »Tim ist kein Freund. Ich habe keine wirklichen Freunde.«
Mary schüttelt den Kopf. »Das glaube ich nicht.«
»Aber es ist wahr.«
»Gut. Einige Leute, die das überlebt haben, was Sie durchgemacht haben, empfanden anschließend eine Art eiskalter Klarheit.«
»Alles, was ich jemals geglaubt habe, ist eine Lüge. Und alle, an die ich geglaubt habe, sind Lügner. Das ist eine eiskalte und klare Einschätzung.«
»Es wird vorbeigehen«, sagt Mary.
»Ich habe es satt, an mich zu denken und mir Sorgen um mich zu machen, jede einzelne Sekunde, ein Leben lang. Es ist, als würde ich ständig in einen Spiegel blicken, der an meiner Nase klebt. Ich will nicht sehen, was ich sehe.«
Mary streicht leicht mit einem Finger über Alices Wange. »Es ist ein recht anständiges Gesicht«, sagt sie und spielt damit auf die Modesprache dieses Jahres an, in der anständig so viel wie top-schink, erstrebenswert bedeutet.
»Darf ich Sie etwas fragen?«, sagt Alice und erhebt sich ein Stück vom Bett.
»Sicher«,’ stimmt Mary zu.
»Sie möchten, dass ich als Zeugin aussage, nicht wahr?«
»Ich glaube nicht. Crest hat Selbstmord begangen.«
»Er hat nichts zu mir gesagt, das irgendwie vernünftig klang. Er schien sich nur schrecklich schuldig zu fühlen. Gleichzeitig verhielt er sich sehr arrogant – ein richtiger Mistkerl. Arrogant und bemitleidenswert.«
Mary betrachtet sie ruhig, ohne Urteil, ohne Reaktion, sie hört ihr nur zu.
»Wissen Sie, wer dieser Roddy ist?«, fragt Alice.
»Nein.«
»Er ist der Schlüssel.« Alice lehnt sich auf dem Kissen zurück.
»Damit könnten Sie Recht haben«, sagt Mary. »Ich muss jetzt gehen und bin vielleicht für ein paar Tage fort. Sie werden selbstverständlich hier bleiben. Der Hausmonitor ist vorübergehend von der Außenwelt abgeschnitten. Wenn Sie mit jemandem reden müssen, sollten sie sich an die Männer in der Küche wenden. Sie langweilen sich und hätten bestimmt gerne etwas zu tun.«
»Roddy kann nicht zu mir gelangen?«, fragt Alice.
»Höchstens wenn er persönlich hereinspaziert«, sagt Mary und lächelt.
»Er ist ein Dämon.«
»Ich werde Sie wissen lassen, wer oder was er ist, sobald ich es herausgefunden habe.«
»Ich habe ihn nicht erfunden.«
»Das glaube ich auch nicht. Er steht sehr weit oben auf meiner Suchliste. Zusammen mit einem Haufen Dreck.«
»Es ist ziemlich verrückt, nicht wahr?«, sagt Alice.
»Nicht verrückter als alles andere.«
»Sind Sie mit jemandem liiert?«, fragt Alice.
»Zur Zeit nicht. Warum?«
»Ich interessiere mich für solche Dinge«, sagt Alice. »Beziehungen. Vor allem jetzt scheinen sie an Wichtigkeit gewonnen zu haben.« Dann: »Billigen Sie mich? Ich meine, mögen Sie mich?«
»Ja«, antwortet Mary.
Alices Gesicht glänzt im schwachen Licht des
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