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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Schwiegertochter waren euphorisch. Wie gegenüber allen hübschen jungen Frauen.
    Um der Stille, die auf das Anstoßen folgte, die Peinlichkeit zu nehmen, sagte Urs: »Als wir vom Reiten zurückkamen, stand Koni vor der Tür.«
    »Was wollte er?« fragte sein Vater.
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich den Westflügel und einen Bentley mit Chauffeur und eine nach oben offene Apanage. Gegeben habe ich ihm hundert Franken.«
    »Vielleicht wollte er gar kein Geld. Vielleicht wollte er nur einen Besuch machen.«
    »Er hat sich jedenfalls nicht beklagt.« Beide lachten.
    Elvira schüttelte den Kopf und seufzte. »Ihr solltet ihm kein Geld geben. Ihr wißt, warum.«
    »Simone hält mich sonst für einen Unmenschen«, schmunzelte Urs.
    Simone fühlte sich angesprochen. »Ein bißchen leid kann er einem schon tun.«
    »Koni ist ein tragischer Fall«, stellte Thomas Koch fest und schenkte Champagner nach.
    »Aber Urs hat Sie über Herrn Lang aufgeklärt?« wollte Elvira wissen.
    »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich finde es bewundernswert, was Sie für diesen Menschen getan haben. Und immer noch tun, nach dem, was vorgefallen ist.«
    »Er ist das Maskottchen meiner Großmutter.«
    Thomas Koch verschluckte sich beinahe. »Ich dachte, Maskottchen seien Glücksbringer.«
    »Sie hält sich eben einen Pechbringer. Sie war schon immer etwas exzentrisch.« Die Art, wie ihn Elvira anschaute, veranlaßte Urs, aufzustehen und sie versöhnlich auf die Stirn zu küssen.
    Thomas Koch beugte sich zu Simone. »Koni ist schon recht, er säuft einfach zuviel.«
    »Es will ihm einfach nicht in den Schädel, daß er kein Mitglied der Familie ist. Das ist sein Problem«, fügte Urs hinzu. »Er weiß nicht, wo seine Grenzen sind. Er gehört nun einmal zu den Menschen, denen man nicht den kleinen Finger geben darf. Deswegen ist es besser, man hält ihn auf Distanz.«
    »Was nicht immer einfach ist, wie Sie heute wohl gesehen haben, Simone.« Thomas Koch griff nach einem silbernen Glöckchen und klingelte. »Sie nehmen doch auch noch etwas Tee?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete sie und schaute unsicher zu Urs. Als der nickte, nickte sie auch.
    Als Thomas Koch die zweite Flasche Champagner öffnete, sagte Simone: »Es ist traurig, wenn jemand seinen letzten Stolz verliert.«
    Thomas tat, als verstünde er sie falsch. »Keine Angst, nach drei Gläsern Champagner verliere ich meinen Stolz noch nicht.«
    Vater und Sohn lachten. Simone wurde rot. Eine Frau wie geschaffen für den egozentrischen Urs, dachte Elvira Senn. Vielleicht etwas zu stark geschminkt mitten am Nachmittag, aber lieb, unkapriziös und nachgiebig.
    Die Bar des Grand Hotel des Alpes hatte sich etwas gefüllt. Die Lampen über den Tischchen brannten jetzt, Charlotte nahm Bestellungen auf, und der Pianist spielte sein Cocktail-Repertoire. Die Hurni-Schwestern waren in Gedanken weit weg in einer anderen Zeit mit den gleichen Melodien. Konrad Lang stellte sich vor, er sei es, der spielte.
    Im Sommer 1946 hatte er sich vorgenommen, ein berühmter Pianist zu werden. Elvira hatte ihren Stiefsohn in jenem Frühling aus dem Privatgymnasium genommen, nachdem ihr die Schulleitung schonend beigebracht hatte, daß dieser in der Sekundarschule besser aufgehoben wäre. Sie hatte ihn in ein teures Internat am Genfer See gesteckt, und Thomas hatte darauf bestanden, daß Konrad ihn begleite. Konrad, dem das Gymnasium keine Mühe bereitete, ging widerwillig mit.
    Im »St. Pierre« war damals ein schöner Teil des Nachwuchses jener Schicht versammelt, die der Krieg reich oder nicht arm gemacht hatte. Das neue und das alte Geld aus dem, was von Europa übriggeblieben war, schickte seine Söhne in das Manoir aus dem 17. Jahrhundert, um sie auf ihre Aufgabe als zukünftige Elite vorzubereiten. Konrad wohnte dort mit Jungen zusammen, deren Namen er bisher nur als Motoren, Banken, Konzerne, Suppenwürfel und Dynastien gekannt hatte.
    Im »St. Pierre« teilten sich jeweils vier Jungen ein Zimmer. Thomas’ und Konrads Zimmergenossen waren Jean Luc de Rivière, Sproß einer alten Bankierdynastie, und Peter Court, ein Engländer. Sein Vater hatte in den Dreißigerjahren die Court-Gasmaske patentieren lassen, die praktisch von allen Alliierten in Lizenz übernommen worden war.
    »Von den Koch-Werken?« fragte Jean Luc Thomas, als sie zwischen ihren Koffern im Zimmer standen und sich die Hand gaben.
    Thomas nickte und fragte zurück: »Von der Bank?«
    Jean Luc nickte. Dann streckte er Konrad die Hand hin und schaute

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