Sniper
den Abzug. Die Patrone verließ den Lauf. Ich feuerte. Die Granate fiel zu Boden. Ich schoss erneut und die Granate ging hoch.
Es war das erste Mal, dass ich jemanden mit einem Scharfschützengewehr tötete. Und das erste – und einzige – Mal, dass ich im Irak einen Angreifer unschädlich machte, der kein männlicher Kämpfer war.
Es war meine Pflicht, diesen Schuss abzugeben, und ich bereue es nicht. Die Frau hatte im Grunde Selbstmord begangen. Ich sorgte nur dafür, dass sie keine Marines mit in den Tod riss.
Es war klar, dass sie die Soldaten nicht nur töten wollte, sie scherte sich auch keinen Deut darum, ob unschuldige Personen in der Nähe in Stücke gerissen werden oder in dem anschließenden Schusswechsel umkommen könnten. Kinder auf der Straße, Anwohner aus den umliegenden Häusern, vielleicht ihr eigenes Kind …
In ihrem Wahn verschwendete sie keinen Gedanken daran. Sie wollte nur Amerikaner töten, um jeden Preis.
Es war das schiere, unbeschreibliche Böse, dem wir im Irak den Kampf angesagt hatten. Deswegen nannten viele Militärangehörige, ich eingeschlossen, unsere Feinde »Wilde«. Es gab kein anderes Wort, um treffender zu beschreiben, mit wem wir es zu tun hatten.
Ich werde häufig gefragt, wie viele Menschen ich getötet habe. Meine Standardantwort darauf lautet: »Sinke oder steige ich mit der genauen Anzahl in deinem Ansehen?«
Die Zahl spielt für mich keine Rolle. Ich bedaure nur, nicht noch mehr Feinde erschossen zu haben. Nicht, um damit prahlen zu können, sondern weil ich glaube, dass die Welt ein besserer Ort ist ohne diese Wilden, die einzig darauf aus sind, Amerikanern das Leben zu nehmen. Jeder, den ich im Irak erschoss, versuchte Amerikanern oder Irakern zu schaden, die auf der Seite der neuen Regierung standen.
Ich hatte als SEAL einen Auftrag. Ich tötete den Feind – einen Feind, der tagein, tagaus danach trachtete, meine Landsleute zu töten. Die Erfolge dieses Feindes lassen mich bis heute nicht zur Ruhe kommen. Es gab zwar nur wenige, aber selbst ein einzelnes Leben war ein Leben zu viel.
Ich mache mir keine Gedanken darüber, was andere Leute von mir denken. Das war eines der Dinge, die ich als Jugendlicher an meinem Vater bewunderte. Er scherte sich nicht darum, was andere von ihm dachten. Er war, wie er war. Dieser Eigenschaft habe ich es zu verdanken, dass ich zuweilen nicht den Verstand verlor.
Zu dem Zeitpunkt, als dieses Buch in Druck geht, fühle ich mich immer noch unwohl bei der Vorstellung, meine Lebensgeschichte zu veröffentlichen. Ich habe früher stets die Meinung vertreten, dass jeder, der wissen will, wie das Leben eines SEAL ist, sich selbst den Dreizack verdienen sollte: Erwirb erst einmal unser Abzeichen, das Symbol unserer Identität. Durchlaufe unsere Ausbildung, bringe dieselben physischen und psychischen Opfer. Nur dann wirst du es begreifen.
Der zweite und vielleicht wichtigere Punkt ist: Wen interessiert mein Leben überhaupt? Ich bin wirklich nichts Besonderes.
Ich habe ein paar richtig brenzlige Situationen erlebt. Mir wurde gesagt, dass das interessant ist, aber ich kann diese Haltung nicht ganz nachvollziehen. Der eine oder andere Schreiberling schlug mir bereits früher vor, meine Biografie zu verfassen oder ausgewählte Erlebnisse festzuhalten, die mir widerfahren sind. Ich finde das zwar seltsam, aber da es nun einmal mein Leben ist und meine Geschichte, halte ich es für besser, wenn ich sie selbst zu Papier bringe – und zwar genau so, wie sie sich tatsächlich ereignet hat.
Außerdem kommen in meiner Geschichte viele Menschen vor, die große Anerkennung verdienen, aber unerwähnt bleiben könnten, wenn ich diese Geschichte nicht selbst niederschreibe. Diese Vorstellung missfällt mir zutiefst. Meine Kameraden verdienen mehr Lob als ich.
Die Navy schreibt mir mehr tödliche Schüsse zu als jedem anderen Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte, der jemals gedient hat. Dann muss es wohl stimmen. Sie ändern die Zahl ständig. In einer Woche liegt sie bei 160 (die »offizielle« Angabe bei Redaktionsschluss, obwohl das nicht viel heißen muss), dann ist sie wieder wesentlich höher oder liegt irgendwo dazwischen. Wenn Sie eine Ziffer haben wollen, dann fragen Sie die Navy – mit etwas Glück sagt man Ihnen vielleicht sogar die Wahrheit.
Jeder will immer eine konkrete Zahl hören. Selbst wenn es mir die Navy erlauben würde, würde ich sie nicht nennen. Ich hab’s nicht so mit Zahlen. SEALs sind schweigsame Krieger,
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