Sniper
Gemeinsam fanden wir irgendwann einen Konsens. Ich war von Natur aus ungeduldig, aber bei meiner Arbeit mit den Pferden musste ich mir genau diese Tugend aneignen – Geduld. In meinem späteren Leben als Scharfschütze sollte sich diese Eigenschaft noch als extrem hilfreich erweisen – ebenso wie beim Werben um meine Frau.
Im Gegensatz zu Rindern hatte ich nie einen Anlass, ein Pferd zu schlagen. Klar, ich musste sie so lange reiten, bis sie müde wurden und ihren Widerstand aufgaben. Es war enorm wichtig, so lange im Sattel zu bleiben, bis sie erkannten, wer das Sagen hatte. Aber ein Pferd schlagen? Dafür sah ich niemals einen Grund. Pferde sind klüger als Rinder. Man kann ein Pferd sehr wohl dazu bringen mitzuarbeiten, wenn man ihm nur genug Zeit lässt und die Ruhe bewahrt.
Ich wusste nicht, ob ich wirklich Talent dazu hatte, Pferde zu zähmen oder nicht, aber indem ich mich in ihrer Nähe aufhielt, wuchs mein Interesse am Lebensstil der Cowboys. Rückblickend ist es nicht weiter verwunderlich, dass ich schon während meiner Schulzeit an Rodeowettkämpfen teilnahm. In der Highschool war ich auch in der Baseball- und Footballmannschaft, aber nichts war so aufregend wie Rodeoreiten.
In jeder Highschool gibt es verschiedene Cliquen: die Sportler, die Streber und so weiter. Die Gruppe, der ich mich verbunden fühlte, waren die »Ropers«. Wir trugen Stiefel und Jeans und ahmten in Aussehen und Verhalten Cowboys nach. Ich war allerdings kein echter Roper – ich hätte damals kein Kalb mit einem Lasso einfangen können – was mich aber nicht davon abhielt, mich bereits im Alter von etwa 16 Jahren auf Rodeowettkämpfen herumzutreiben.
Nachdem es bei uns in der Nähe eine entsprechende Trainingsanlage gab, fing ich irgendwann an, Bullen und Pferde nach Rodeoart zu reiten. Man zahlte 20 Dollar und konnte dann so lange auf den bockenden Tieren reiten, wie man es aushielt. Allerdings musste man für seine eigene Ausrüstung sorgen – Sporen, Beinlinge, Zaumzeug. Diesem Zeitvertreib haftete nichts Glorreiches an: Man stieg auf, stürzte und stieg wieder auf. Mit der Zeit blieb ich immer länger im Sattel und irgendwann einmal war ich selbstbewusst genug, um an einigen kleineren Wettkämpfen in der Nähe teilzunehmen.
Einen Bullen zu reiten, ist mit dem Zähmen eines Pferdes nicht vergleichbar. Sie bocken zwar auf ähnliche Weise, aber ihre Haut ist so faltig und lose, dass man nicht nur nach vorne fällt, sondern auch noch seitlich hin- und herrutscht, wenn sie sich aufbäumen. Und Bullen können sich wirklich schnell im Kreis drehen. Sagen wir es einmal so: Es ist eine Kunst, nicht abgeworfen zu werden.
Ich ritt etwa ein Jahr lang Bullen und war nicht besonders erfolgreich damit. Endlich hatte ich ein Einsehen, sattelte im wahrsten Sinne des Wortes um und landete schließlich beim Pferderodeo. Das ist die Paradedisziplin, bei der man nicht nur mindestens acht Sekunden lang auf dem Pferd sitzen bleiben, sondern dabei auch noch souverän und elegant aussehen muss. Aus irgendeinem Grund schnitt ich besser ab als die anderen und so blieb ich eine Weile dabei, gewann eine Menge Gürtelschließen und auch den einen oder anderen aufwendig dekorierten Sattel. Ich war kein Champion, das nicht, aber gut genug, um es mir leisten zu können, einen Teil meiner Preisgelder in der einen oder anderen Bar auszugeben.
Ich fiel auch den Groupies auf, die auf Rodeoveranstaltungen häufig zugegen sind. Alles lief bestens. Ich genoss es, von Stadt zu Stadt zu ziehen, zu feiern und zu reiten.
Kurzum: Ich führte das Leben eines modernen Cowboys.
Auch nachdem ich 1992 die Highschool abgeschlossen und mich am College der Tarleton State University in Stephenville, Texas, eingeschrieben hatte, ritt ich weiter. Für diejenigen unter Ihnen, die es nicht wissen: Tarleton wurde 1899 gegründet und schloss sich 1917 dem Texas-A&M-Universitätssystem an. Es ist die drittgrößte agrarwirtschaftliche Universität im Lande, und sie steht in dem Ruf, hervorragende Ranch- und Farmmanager sowie Lehrer für Agrarwirtschaft hervorzubringen.
Damals hatte ich noch vor, Ranchmanager zu werden. Vor der Immatrikulation hatte ich jedoch auch mit dem Gedanken gespielt, eine militärische Laufbahn einzuschlagen. Der Vater meiner Mutter war ein Pilot in der Army Air Force gewesen und ich liebäugelte eine Zeit lang damit, ebenfalls Pilot zu werden. Dann spielte ich mit dem Gedanken, zu den Marines zu gehen – ich wollte mitten hinein ins
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