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Snow Crash

Titel: Snow Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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des Erwachsenseins, das den Jahren Anfang zwanzig folgt wie der Sonntagmorgen auf eine durchtanzte Samstagnacht, ist ihm deutlich bewußt, worauf es tatsächlich hinausläuft: Er ist pleite und arbeitslos. Und vor wenigen kurzen Wochen war auch seine Zeit als Pizzaauslieferer zu Ende – der einzige sinnlose Sackgassenjob, der ihm je Spaß gemacht hat. Seither hat er viel mehr Aufmerksamkeit auf seinen Notfall-Aushilfsjob verwendet – freiberuflicher Stringer für die CIC, die Central Intelligence Corporation, in Langley, Virginia.
    Das Geschäft ist einfach. Hiro bekommt Informationen. Dabei kann es sich um Gerüchte, Videobänder, Audiobänder, das Bruchstück einer Diskette, die Fotokopie eines Dokuments handeln. Möglicherweise sogar nur um einen Witz über die jüngste, in aller Öffentlichkeit breitgetretene Katastrophe.

    Diese übermittelt er an die CIC Datenbank – die Bibliothek, früher Library of Congress -, aber so nennt sie niemand mehr. Den meisten Menschen ist nicht einmal ganz klar, was das Wort »Kongreß« eigentlich bedeutet. Und selbst das Wort »Bibliothek« wird immer verschwommener. Das war ein Haus voller Bücher, überwiegend alter Bücher. Dann nahmen sie auch Videobänder, Schallplatten und Zeitschriften auf. Dann wurden sämtliche Informationen in maschinenlesbare Form übertragen, was heißen soll: Einser und Nullen. Und da die Zahl der Medien wuchs, wurde das Material immer aktueller, und die Methoden, die Bibliothek zu durchsuchen, immer komplexer, bis der Punkt erreicht war, an dem kein substantieller Unterschied mehr zwischen der Kongreßbibliothek und der Central Intelligence Agency bestand. Zufälligerweise spielte sich das alles gerade dann ab, als die Regierung sowieso zerfiel. Daher verschmolzen sie miteinander und stießen einen dicken, fetten Batzen Altpapier ab.
    Millionen andere CIC Stringer übermitteln gleichzeitig Millionen anderer Informationen. Die Kunden der CIC, überwiegend Großkonzerne und Souveräne, durchwühlen die Bibliothek auf der Suche nach wichtigen Informationen, und wenn sie für etwas Verwendung finden, das Hiro eingegeben hat, wird Hiro dafür bezahlt.
    Vor einem Jahr hat er die vollständige Rohfassung eines Drehbuchs eingegeben, das er aus dem Mülleimer eines Agenten in Burbank gestohlen hatte. Ein halbes Dutzend Studios wollten es sehen. Allein davon konnte er ein halbes Jahr essen und Ferien machen.
    Seitdem sind die Zeiten magerer geworden. Er hat auf schmerzliche Weise lernen müssen, daß neunundneunzig Prozent der Informationen in der Bibliothek überhaupt nie benutzt werden.
    Beispiel: Nachdem ein gewisser Kurier ihm den Tip von Vitaly Tschernobyls Existenz gegeben hat, verwendete er ein paar Wochen auf die Erforschung eines neuen musikalischen Phänomens – die Entstehung ukrainischer Nuklear-Punk-Grunge-Kollektive
in L. A. Er hat erschöpfende Notizen zu diesem neuen Trend in der Bibliothek hinterlassen, einschließlich Videoclips und Demos. Keine einzige Plattenfirma, kein Agent und kein Rockkritiker hat sich je die Mühe gemacht, sie abzurufen.
    Die Oberfläche des Computers ist glatt, abgesehen von einer Fischaugenlinse, einer polierten Glaskuppel mit purpurnem optischem Überzug. Wann immer Hiro die Maschine benutzt, taucht diese Linse auf und rastet ein, der Ansatz auf einer Höhe mit dem Gehäuse des Computers. Das Loglo der Nachbarschaft spiegelt sich verzerrt und geschrumpft auf der Oberfläche.
    Hiro findet das erotisch. Was teilweise daran liegt, daß er seit mehreren Wochen keine anständige Nummer mehr geschoben hat. Aber das ist nicht alles. Hiros Vater, der mehrere Jahre in Japan stationiert war, war besessen von Kameras gewesen. Er brachte immer welche von seinen Aufenthalten im Fernen Osten mit zurück, in viele schützende Lagen eingewickelt, so daß es aussah, als würde man einen exquisiten Striptease sehen, wenn er sie aus dem schwarzen Leder und Nylon, den Reißverschlüssen und Gurten, herausschälte und Hiro zeigte. Und wenn die Linse entblößt war, eine Gestalt gewordene, reine geometrische Kleidung, so mächtig und zugleich so verwundbar, da konnte Hiro nur denken, es sei, als taste man sich unter Röcke und Unterwäsche zu den äußeren und inneren Schamlippen vor... Er kam sich nackt und schwach und tapfer dabei vor.
    Die Linse kann das halbe Universum sehen –

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