Snuff: Roman (German Edition)
Orangensaft. Ihre Lippen ignorieren den Halm und sagen: »Ich weiß Bescheid.« Sie flüstern: »Ich weiß es, seit wir uns in dem Café getroffen haben.« Sanft wie ein Wiegenlied sagt Ms. Wright: »Mir sind fast die Tränen gekommen, so sehr siehst du mir ähnlich...«
Tatsache.
Ms. Wright dreht den Kopf zur Seite, weicht dem Trinkhalm aus, verzieht ihren Lippenstiftmund zu einem Lächeln und sagt: »Um diesen letzten jungen Mann zu zitieren... Ich wollte dir ein neues Leben schenken.«
Sie sagt, Richard Burton sei beinahe zu Tode gekommen, als er mit Ava Gardner in Mexiko Night of the Iguana gedreht habe. Auf dem Höhepunkt des dritten Akts sollte Burton das Seil kappen, an dem ein lebendiger Leguan festgehalten wurde, um ihn in den Dschungel entkommen zu lassen. Das mit dem Kappen gelang ihm natürlich, aber das Dumme war, dass der Leguan mehrere Wochen in Gesellschaft des exzessiv zechenden Trios Ava, Richard und John Huston verbracht hatte. Die Echse lief nirgendwo hin. Damit die Szene gedreht werden konnte, verdrahtete die Crew den Leguan, und in dem Augenblick, als Burton das Tier freiließ, jagten sie ihm 110 Volt durch den Leib. Dummerweise hatte Richard Burton den Leguan aber noch nicht losgelassen. Er bekam die volle Ladung ab, durch den Leguan hindurch, und das hätte schwer danebengehen können. Der berühmteste Schauspieler der Welt und dieses unheimliche Reptil – um ein Haar durch einen Stromschlag ins Jenseits befördert.
Tatsache.
Ms. Wright lächelte und sagte: »Mach dir mit dem vielen Geld von den Versicherungen ein schönes Leben...«
Und ehe sie noch ein weiteres Wort sagen konnte, schob ich ihr den Trinkhalm in den Mund. Bis zum Anschlag, bis in ihre Kehle. Bis die Hexe endlich die Klappe hielt.
29
Mr. 72
Die Kleine mit der Stoppuhr setzt den linken Fuß vor, dann den rechten und wieder den linken, als sie, beide Hände vorm Mund, die Treppe herunterkommt. Ihre Finger überlappen sich, als ob sie etwas nicht aus ihrem Mund herauslassen will. Ihre Augen sind weit aufgerissen und vergessen zu blinzeln, sie sind so trocken, dass sie kaum noch glänzen, oder höchstens noch wie Glas. Wie das Glas der Stoppuhr an ihrem Hals. Ihre Finger pressen und pressen, bis die Haut ganz weiß ist; die Finger so blutleer wie das Gesicht, kommt sie herunter, linker Fuß, rechter Fuß, immer eine Stufe tiefer.
Also ich weiß nicht.
Wer das dringende Bedürfnis hat, Leuten beim Sterben zuzusehen, in echt, der braucht sich bloß einen Porno anzusehen, das Ende einer Szene, wenn sie ihren Orgasmus kriegen. Wie ihr Mund nach Luft schnappt, nach einem allerletzten Atemzug. Wie die Adern und Muskeln an ihrem Hals hervortreten, wie sie ihr Kinn recken und mit den blanken Zähnen in die Luft hacken. Wie ihre Wangenhaut die Lippen und die Ohren nach hinten zerrt, wie die Haut ihre Augen zuquetscht, während sie mit den Schneidezähnen den nächsten großen Happen Leben abzubeißen versuchen.
Man sehe sich World Whore Three an, dann kapiert man, warum manche Leute sagen, das Sterben ist auch bloß ein Cumshot.
Die Kleine mit der Stoppuhr kommt unten an und bleibt stehen. Sie reißt die rosa Haut von ihren Händen, dann die blaue – Gummihandschuhe, umgestülpt – und wirft sie auf den Boden, wo sie flach und tot wie eine kaputte Sexpuppe liegen bleiben. Die nackten Hände gleiten nach oben und bedecken ihr ganzes Gesicht. Die Haut ihrer Hände ist alt und faltig und aufgedunsen, nachdem sie so lange in diesen Handschuhen geschmort hat. Sie zieht die Schultern hoch, und ihr gekrümmtes Rückgrat richtet sich auf, als sie mit einem mächtigen Atemzug den Geruch von Pisse, Babyöl und Schweiß hier unten einsaugt. Die Luft entweicht nicht, als sie die Ellbogen fest auf ihre Titten presst. Und als sie dann doch entweicht, geschieht das in ächzenden Stößen, die ihren ganzen Körper erschüttern.
Meine Eier sind rot und wundgescheuert. Meine Shorts vom Waschbecken durchnässt. Ich bin obdachlos. Ein Waise. Pleite und ohne Job.
Dan Banyan horcht. Er sieht sie nicht an, sondern richtet sein Ohr dorthin, wo sie jetzt weint. Sie weint tatsächlich, die Töne kommen gedämpft zwischen ihren Händen hervor, mit denen sie ihr Gesicht bedeckt. Nummer 137 sagt: »Ist Cassie tot?«
Frierend und pleite, verwaist und wundgerieben, patsche ich links, rechts, links, rechts über den klebrigen Boden und bleibe neben dem Mädchen stehen. Mit nichts anderem am Leib als meiner nassen Unterhose, lege ich ihr einen
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